|
Biographische Notizen zu Personen, die zwischen 1905 und 1925 für die Ostasiatische Kunstabteilung der Berliner Museen bedeutungsvoll waren.
Beiträge zu
Im heutigen Museum für Ostasiatische Kunst in Berlin werden 203 handschriftliche Originalbriefe aufbewahrt, die Wilhelm von Bode zwischen 1905 und 1925 an Otto Kümmel richtete. Sie wurden von mir in maschinenlesbare Form übertragen und sind in dieser Form im Zentralarchiv der Berliner Museen zu benutzen. Zum besseren Verständnis der Briefe ist eine Kenntnis der in ihnen erwähnten Hauptpersonen hilfreich. Zwar gibt der Kommentarband zur Autobiographie Bodes (Wilhelm von Bode: Mein Leben. Herausgegeben von Thomas W. Gaethgens und Barbara Paul. 2 Bände. Nicolaische Verlagsbuchhandlung 1997. Band I: Autobiographie; Band II: Kommentarband) wertvolle Hinweise. Seine Hilfe versagt jedoch bei den Personen, die speziell mit dem Gebiet der ostasiatischen Kunst und dem jungen Direktor Otto Kümmel verbunden sind. Zwischen Kümmel und Bode einerseits und vielen der Persönlichkeiten bestanden recht komplexe Beziehungen, die in den Briefen immer wieder eine Rolle spielen. Deren Kenntnis erleichtert das Verständnis der Briefinhalte. Es lohnt sich daher, sie kurz vorzustellen. Die Geschichte der Sammlung des Berliner Museums für Ostasiatische Kunst, und damit auch der Anteile der hier oft genannten Persönlichkeiten, wurde von Lothar Ledderose in der Einleitung zu seinem 1998 vorgelegten Katalog der chinesischen Bilder sehr genau dargestellt (Lothar Ledderose: Orchideen und Felsen. Chinesische Bilder im Museum für Ostasiatische Kunst Berlin. G+H Verlag Berlin 1998). Diese Arbeit enthält auch eine ausführliche Aufstellung der Literatur, die zur Frage der Rezeption ostasiatischer Kunst in Deutschland, erschienen ist, und damit auch zu den beteiligten Personen.
Wilhelm Bode (10. Dezember 1845 Calvörde.- 1. März 1929 Berlin)
Bode hatte schon als junger Mitarbeiter der Berliner Museen die Überzeugung gewonnen, dass die Kunst fremder Hochkulturen auch in Europa anerkannt und gesammelt werden müsse. So setzte er sich im Jahre 1882, damals noch als Assistent in der Skulpturenabteilung dafür ein, die Sammlung japanischer Rollbilder des Mediziners Hans Gierke, die dieser während seiner Lehrtätigkeit in Anatomie und Histologie in Tôkyô erworben hatte, anzukaufen. In seiner Autobiographie bekennt er, dass er nie zuvor ein solches Rollbild gesehen hatte und dem Qualitätsdenken Gierkes vertrauen musste. Der Kauf erfolgte zwar, keines der Berliner Museen war aber für eine Ausstellung zu gewinnen. 1896 war Bode Direktor der Skulpturenabteilung und leitete auch die Gemäldegalerie. Er pflegte mit vielen zeitgenössischen deutschen Künstlern Kontakt, hatte die Zeitschrift PAN gegründet und war als hervorragender Kenner klassischer wie auch als Sachwalter moderner bildender Kunst berühmt. In Freiburg lebte zu dieser Zeit Marie Meyer, die aus Hamburg dorthin verzogen war. In Hamburg hatte sie dem dortigen Museum für Kunst und Gewerbe wertvolles Museumsgut gestiftet. Sie besaß eine große Sammlung moderner Malerei und unterstützte großzügig junge zeitgenössische Künstler wie Arnold Boecklin, Max Klinger, Otto Greiner, Sascha Schneider, Ernst Moritz Geyger, Hermann Gehri und andere. Sie trat an Bode mit der Bitte um Hilfe für ein Vorhaben von Ernst Moritz Geyger heran. Bode kannte ihn gut aus gemeinsamer Arbeit am PAN, Geyger hatte aber Bodes „Gunst wohl mit Recht etwas verscherzt“. Bode ließ sich zu großzügiger Hilfe bewegen und blieb auch später in Kontakt mit Marie Meyer und ihrem Lebensgefährten Prof. Dr. Ernst Große, wie der rege Briefwechsel ausweist (Mehr als 100 Briefe an Bode von 1896 – 1925 im Zentralarchiv, weitere im Archiv des Museums für Ostasiatische Kunst). Nach 1903 weilte Bode mit Frau und Tochter wiederholt zu Gast im Meyerschen Haus in Freiburg sowie in deren Ferienhaus in Titisee im Schwarzwald und lernte dort die von Marie Meyer und Ernst Große aufgebaute Sammlung japanischer Kunst kennen, die in Fach- und Sammlerkreisen berühmt war.
Große war auch Leiter der Freiburger Kunstsammlungen und hatte dort eine kleine Spezialsammlung ostasiatischer Kunst installiert. Bode kannte natürlich den Vorschlag seines früheren Berliner Kollegen Woldemar von Seidlitz, ein deutsches Museum für ostasiatische Kunst zu gründen. So waren nach 1903 alle Voraussetzungen gegeben: Bodes Bedürfnis, fremde Hochkulturen (vorzüglich vorderasiatische und ostasiatische Kunst) in Berlin „museumsgängig“ zu machen, die öffentliche Diskussion über die Gründung eines asiatischen Museums und eigene Anschauung zahlreicher, vorzüglicher Objekte japanischer Kunst.
Bodes Ernennung zum Generaldirektor erfolgte am Freitag, dem 1. Dezember 1905. Bereits am Mittwoch, dem 5. Dezember 1905, also nur 3 Werktage nach seiner Ernennung, schickte er das Berufungsschreiben an Otto Kümmel. Dass er bereits vor seiner Amtseinsetzung Schritte unternommen hatte, ergibt sich aus den Briefen. Kümmel hatte ihm vorher bereits geschrieben und ihn in Berlin besucht: der Stil des Schreibens macht klar, dass man sich kannte. Das Berufungsschreiben kommt auch nicht als völlige Überraschung daher und erwähnt, dass Bode bereits bei seinem Amtsvorgänger die stellenplanmäßige Absicherung eines neuen Abteilungsleiters durchsetzen konnte. Erst am 19. August 1906 konnte Bode Kümmel mitteilen, dass seiner Anstellung“ nun nichts mehr im Wege stehe“. Der Amtsantritt fand am 1. November statt. Am gleichen Tag brach Kümmel zu seiner Einkaufsreise nach Japan auf, die ihn über Hamburg, Bremen, New York und Boston führte. Bode nahm am Japanaufenthalt Kümmels lebhaften Anteil, hat sich detailliert informiert und war unablässig um die Erschließung aller denkbaren Geldquellen bemüht. Die hohe Anerkennung für Bodes Leistungen im Allgemeinen und für den speziellen Fall des Ostasiatischen Museums darf kritische Anmerkungen nicht ausschließen.
Der Weg des neuen Museums war durch Managementfehler Bodes mehr als steinig. Er hätte ohne die Geduld und Ausdauer Kümmels, ohne dessen große Expertise, sein besonderes Qualitätsbewusstsein sowie ohne die Fähigkeit, großzügige Schenkungen in das Museum zu ziehen, nicht bis zum Ende beschritten werden können. Man sollte nicht vergessen, dass das Museum erst im August 1924 förmlich eröffnet werden konnte und bis dahin nur gelegentlich, und das auch nur in kurzzeitig „geborgten“ Räumen, Bruchteile seiner Sammlung ausstellen durfte. Bodes Managementfehler verhinderten eine Konsolidierung vor 1914; der Weltkrieg, die Nachkriegswirren und Inflation verlängerten dann die Frist um weitere volle 10 Jahre.
Bode konnte vor seiner Ernennung zum Generaldirektor keine Etatvorkehrungen für ein neues Museum treffen. Die Ernennung selbst brachte zunächst auch keine große Handlungsfreiheit. Wie Bode in seiner Autobiographie ohne Beschönigung beschreibt, wurde seine Ernennung von den Museumskollegen und auch den Mäzenen missbilligt. Er hatte zunächst an vielen Fronten mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Ferner räumte die Berliner Museumshierarchie dem jeweiligen Generaldirektor kaum Möglichkeiten ein, sich in die fachlichen Belange der einzelnen Museen einzubringen. So muss man es als geradezu als unglücklich ansehen, dass Bode das neue Museum ausgerechnet in das Völkerkundemuseum einpflanzte, zu dessen Direktoren er eine wohlbekannte fachliche – und auch persönliche – Abneigung hegte. Da es ihm trotz der (oft genug praktizierten und von vielen übel aufgenommenen) Einflussnahme durch den Kaiser nicht gelang, für das neue Museum sogleich einen Direktorposten zu schaffen, sondern nur den eines bei ihm selbst angesiedelten Direktorialassistenten, kann man sich leicht vorstellen, welches Klima im Völkerkundemuseum herrschen musste. Die alten, erfolgreichen, Direktoren mussten eine neue, gleichberechtigte Abteilung für ostasiatische Kunst akzeptieren, die vor Ort nur durch einen Assistenten betreut wurde. Neuer Direktor dieser Abteilung war bis September 1911 der Generaldirektor selbst, der damit in Personalunion Kollege und Vorgesetzter war. Allein schon diese Konstellation musste bei der Verteilung von Mitteln zu Schwierigkeiten führen. Nun kam noch hinzu, dass Bode Kümmel zugesagt hatte, sich aus den anderen Abteilungen des Völkerkundemuseums nach Belieben mit dort vorhandenen Kunstwerken bedienen zu dürfen, um die neue Abteilung auszustatten, ohne dass dazu vorab Gespräche mit den verantwortlichen Direktoren Albert Grünwedel und Friedrich Wilhelm Karl Müller geführt worden waren. Kümmel selbst wusste sich wohl nicht anders zu helfen als viele der Objekte im Völkerkundemuseum als künstlerisch wertlos zu bezeichnen und auf eine Übernahme zu verzichten, was ebenfalls eher verletzte als befriedete. Es nimmt nicht Wunder, dass das Klima eisig war und sich die Animositäten auch nach der Einsetzung Kümmels als Direktor 1911, ja bis in die zwanziger Jahre hinein, fortsetzten. Damit war eine gedeihliche Entwicklung im Schoße der vorhandenen „alten“ Abteilungen des Völkerkundemuseums ausgeschlossen.
Ein weiteres Problem war fachlicher Natur. Bode hatte sich 1882 auf den Geschmack Gierkes verlassen, jetzt folgte er unreflektiert den Vorstellungen über ostasiatischer Kunst von Große. Kümmel schreibt im Nachruf auf Bode 1927: „Dem leidenschaftlichen Tatmenschen lag die stille, nach innen gerichtete Kunst der ostasiatischen Welt im Grunde genommen sehr wenig. Der indischen Kunst widmete er bis in sein höchstes Alter eine freudige Abneigung und gab ihr in seiner Art gelegentlich den unzweideutigsten und unkonventionellsten Ausdruck. An der Kunst Ostasiens im engeren Sinne bewunderte er die vollendete Form, der sich ein Mann mit so empfindlichem Auge nicht verschließen konnte — ihr eigentliches Wesen blieb ihm fern“.(Ostasiatische Zeitschrift N.F. 5 (1929), Seiten 43-45)
Da auch Kümmel als Student in Freiburg unter dem Einfluss Grosses sein Verständnis für japanische Kunst entwickelt hatte, teilten somit beide Berliner Schlüsselfiguren ein kohärentes Japanbild. Man kann den Einfluss Grosses auf die Ausrichtung des neuen Berliner Museums gar nicht hoch genug einschätzen. Hinzu kam, dass Große von 1909 bis 1913 im diplomatischen Auslandsdienst als „Wissenschaftlicher Sachverständiger für Kulturgüter Chinas, Japans und Koreas mit Dienstsitz an der deutschen Botschaft in Tôkyô“ in großem Stil für das Berliner Museum einkaufen sollte und dies nach Beendigung seiner diplomatischen Berufung im Auftrag Bodes noch ein weiteres Jahr fortsetzte. Große war als Sammler zwar geachtet, aber nicht beliebt. Zu Justus Brinckmann, dem Direktor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, der als erster in einem deutschen Museum eine vorzügliche Japanabteilung eingerichtet hatte, pflegte er eine solide Abneigung. Großes vernichtendem Urteil unterlagen auch fast alle anderen Sammler und Kenner in Deutschland, Frankreich, England und den USA. Bode, Große voll vertrauend, übernahm dessen Meinungen und Wertverständnis japanischer Kunst, wie schon gesagt, unkritisch. Das führte in Berlin beispielsweise zu der unschönen Situation, dass Gustav Jacoby, ein treuer Freund Brinckmanns, zwar als Mäzen willkommen war, für seine Sammlung aber keine wirkliche Unterstützung erhielt. Schließlich weigerte sich Jacoby sogar, finanzielle Unterstützung für Großes Ankäufe in Japan zu gewähren. Am 4. November 1910 schrieb Bode an Kümmel: „Eben war Jacoby bei mir. Er ist natürlich unverändert gegen das ganze System Große und ist durch die Olga-Julia-Ankäufe in China, wenn auch nur für 3.800 Mark, noch mehr darin bestärkt. Trotzdem stiftet er 5.000 Mark – nur nicht für japonica, sondern für die Königlichen Museen im Allgemeinen.“
Wie bereits gesagt: es ist Otto Kümmel zu verdanken, dass sich alles zum Positiven gewendet hat. Er war der erste europäische Kunsthistoriker, der japanisch und chinesisch lesen, schreiben und sprechen konnte Sein sagenhaftes Gespür für echt oder falsch, sein Bestehen auf Qualität, seine Expertise und seine Beharrlichkeit überwanden die Probleme. Ihn berufen zu haben war die große Leistung Bodes für das Verständnis und die Pflege ostasiatischer Kunst in Deutschland. (zurück)
Otto Kümmel (22.8. 1874 Blankenese – 8.2.1952 Mainz)
Otto Kümmel war das siebente von zwölf Kindern. Sein Vater Werner Kümmel war der Stadtbaudirektor von Altona, international bekannt für den Bau von Anlagen zur Versorgung großer Städte mit sauberem Trinkwasser. Ihm war zu verdanken, dass Altona von der verheerenden Choleraseuche im nahen Hamburg verschont blieb. Ottos ältester Bruder Werner wurde später der berühmte Hals-Nasen-Ohren Spezialist der Universität Heidelberg. Er führte seit etwa 1920 erste mikrochirurgische Krebsoperationen aus. Ein weiterer älterer Bruder, Paul, lebte seit 1890 in Yokohama. Er nahm später die japanische Staatsbürgerschaft an. (Es sollte hier aber betont werden, dass er als Kaufmann mit anderen Interessen keinen Einfluss auf das spätere Engagement Ottos für japanische Kunst und Kultur nahm.) Ottos Kindheit war vom frühen Tod seiner Mutter überschattet. Als sein Vater wenige Wochen vor dem Beginn des Freiburger Studiums starb, musste dem noch minderjährigen Otto ein Vormund bestellt werden.
Anders als oft zu lesen, war Kümmel kein akademischer Schüler von Ernst Große. Er begann in Freiburg 1893 sein Studium der Archäologie und Philosophie. Er schrieb Aufsätze über den Tempel des Asklepios in Epidauros (Griechenland) und den berühmten Vasenmaler Brygos (spätes 6. bis frühes 5. Jhrhdt. v.Chr.). Alle verfügbaren Quellen verweisen auf sein Interesse an klassischer europäischer Kultur.1896-97 hörte er an den Universitäten in Bonn und der Sorbonne in Paris. In Paris konnte er die Sammlungen des Louvre und der anderen Museen ebenso wie die von Hayashi studieren. An der Ecole des Langues Orientales, die regelmäßige öffentliche Kurse in japanischer Sprache anbot, wird er die Gelegenheit zum Sprachstudium genutzt haben. Kümmel wurde der erste europäische Kunsthistoriker, der japanisch sprach, las und schrieb. Nach seinem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in Lahr promovierte er 1901 in Freiburg mit einer Arbeit über Ägyptische Pflanzenornamentik. Danach volontierte er bis 1902 am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe bei Justus Brinckmann, dann bis 1904 in Berlin zunächst in der Ostasienabteilung des Berliner Völkerkundemuseums bei F.W.K. Müller und danach im Zeughaus. 1905 - 1906 leitete er die Freiburger Kunstsammlungen. 1906 berief ihn Wilhelm von Bode als Direktor der neu gegründeten Abteilung für Ostasiatische Kunst am Völkerkundemuseum nach Berlin.
Wichtig ist zu erwähnen, dass Otto Kümmel längere Zeit im Hause von Marie Meyer wohnte, wo er, wie einer Bemerkung in Großes privaten Tagebüchern zu entnehmen ist, für die Sicherheit des Hauses und der Sammlung vor Einbrechern verantwortlich war. Kümmel hatte seine eigene Mutter durch eine schlimme Krebskrankheit früh verloren. Das aus den späteren Briefen an Bode ersichtliche mütterliche Verhältnis Marie Meyers zu ihm ist deutlich.
Von November 1906 bis Januar 1909 war Otto Kümmel in Japan um den Grundstock der Berliner Sammlung einzukaufen, wobei ihm das Erbe des kürzlich verstorbenen Hayashi Tadamasa offen stand.
Im Jahre 1911 publizierte Kümmel das ausgezeichnete kleine Handbuch Das Kunstgewerbe in Japan. Seine biographischen Daten zu bekannten Künstlern haben sich im Thieme-Becker, dem vielbändigen Künstlerlexikon, erhalten (Ulrich Thieme und Felix Becker,1907-1950). Gemeinsam mit William Cohn (1880-1961) gründete er 1912 die Ostasiatische Zeitschrift, das erste westliche Journal für ostasiatische Kunst. Hierin publizierte er 1912 die berühmt gewordene Übersetzung und Kommentar von Kundaikan Sayûchôki, einem Katalog der Sammlung von Zen-Buddhistischen Bildern der Ashikaga Shogune (1338-1494) des Künstlers Nôami (1397-1494) und seines Enkels Sôami (c.1485-1525). Kümmels Artikel hatte großen Einfluss auf die europäischen Kunstwissenschaftler.
Im gleichen Jahr organisierte er eine große Ausstellung ostasiatischer Kunst in Berlin mit mehr als 1000 Ausstellungsstücken, die auch internationale Anerkennung fand. Weitere Ereignisse dieser Art waren geplant, doch der Ausbruch des ersten Weltkriegs unterbrach die Arbeit. Kümmel war während des ganzen Krieges eingezogen. Als er 1918 nach Berlin zurückkehrte konnte er aber darauf stolz sein, die ununterbrochene Publikation der Ostasiatischen Zeitschrift gesichert und zu ihr sogar einige Artikel beigetragen zu haben.
Bürokratische Hindernisse, Geldmangel, der erste Weltkrieg und die schwierige Nachkriegssituation in Deutschland und auch die Inflation verhinderten, dass Bodes Pläne für den Neubau eines Museums realisierbar waren. Erst am 9. Oktober 1923 konnte Kümmel dann endlich in eigenen Räumen in der Prinz Albrecht Straße in Berlin sein eigenes Museum eröffnen und seine, inzwischen durch die Schenkungen der Privatsammlungen Meyer/Große und Jacoby angewachsene, Sammlung von Weltrang der Öffentlichkeit auf Dauer präsentieren.
1929 organisierte Kümmel eine Ausstellung chinesischer Kunst in Berlin. Erstmals wurde in Europa das gesamte Spektrum Chinesischer Kunst aller Zeiten und aller Richtungen ausgestellt. Der Katalog dazu erschien 1929, im Jahr darauf gab Kümmel einen wissenschaftlich bearbeiteten, beschreibenden Katalog von 200 ausgewählten Meisterwerken mit ausgezeichneten Reproduktionen heraus.
Er unterstützte die Arbeiten für die Öffentlichkeit auch an anderen Orten. Schon 1912 hatte er in Stockholm bei der Vorbereitung einer Ausstellung geholfen, für die Ausstellung chinesischer Kunst der „“Gesellschaft der Freunde ostasiatischer Kunst in Amsterdam“ lieh er 1925 chinesische Objekte aus.
Seine Beziehungen zu Schweden wurden sehr eng. Zwischen 1925 und 1939 weilte er oft bei Gustav Adolf (1882-1973), dem späteren König Gustav VI Adolf (regierte 1950-1973) im Schloß zu Stockholm, wo er auch mit den bedeutenden Persönlichkeiten Bernhard Karlgren (1889-1978) und Osvald Sirén (1879-1966) zusammentraf. Gustav Adolf war ein hingebungsvoller Sammler chinesischer Kunst. Er vermachte seine Sammlung den öffentlichen Museen. In der schwierigen unmittelbaren Nachkriegszeit war er einer der ersten ausländischen Freunde Kümmels, die Hilfe sandten.
Kurz vor Ausbruch des Krieges 1939, brachte Kümmel eine Ausstellung 126 alter japanischer Kunstwerke zustande, unter denen sich 29 Nationalschätze (kokuhô) und 61 wichtige Kulturschätze (Important Cultural Property) befanden.
Unter den am besten bekannten seiner publizierten Werke nennen wir neben dem bereits erwähnten Kunstgewerbe in Japan (Berlin 1911) weiter Die Kunst Ostasiens (Berlin 1921), mit vielen detailliert kommentierten Abbildungen, Ostasiatisches Gerät (Berlin 1925), mit ebenso gut gewählten Abbildungen und informativen Beschreibungen, Chinesische Bronzen (Berlin 1928), eine genau beschriebene Auswahl von Stücken der Berliner Sammlung, sowie Meisterwerke japanischer Landschaftsmalerei (Berlin 1939). Eine ausführliche Bibliographie findet man bei Walravens 1984 .
Kümmel wurde neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten und seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Universität als Professor für ostasiatische Kunstgeschichte zunehmend von administrativen Verpflichtungen in Anspruch genommen. Er war Direktor des Völkerkundemuseums sowie des Museums für Ostasiatische Kunst, seit 1934 auch der Generaldirektor der Preussischen Museen in Berlin. Yashiro Yukio (1890-1975), Direktor des Instituts für Kunststudien in Tôkyô, beklagte die schwere Arbeitslast auf Kümmels Schultern und bewunderte gleichzeitig dessen nicht endende Hingabe an die wissenschaftliche Arbeit in seinem Gebiet (Yashiro 1941).
Kümmel verlor im Krieg zwei Söhne. Die Frucht seiner Lebensarbeit wurde im Bombenhagel des 3. Februar 1945 zerstört. Seine Unterlagen, Manuskripte, Fotografien, über 4000 Diapositive, die berühmte Bibliothek und das Museumsgebäude wurden ein Raub der Flammen. Der Teil der Sammlung, die in einem Berliner Bunker sicher verwahrt war, wurde von der Roten Armee beschlagnahmt und in die Eremitage nach St. Peterburg verbracht. Dort lagern sie bis heute und sind niemanden zugänglich. Ein gutes Geschick rettete ca. 300 Gemälde, die in Bergwerken geborgen waren.
Im Hinblick auf dieses Unglück schrieb Kümmel an Rose Hempel, Kustodin im Hamburger Kunstgewerbemuseum: Unter mein Leben ist jedenfalls mit großen Buchstaben FINIS geschrieben.“ Er gab aber nicht auf. Er begann, syrisch zu lernen „um das Gehirn am Laufen zu halten“. Er organisierte Ausstellungen für Celle (1950) und Berlin (1952) unter Benutzung einiger Bilder, die den Krieg überlebt hatten. Er arbeitete an einer Neuausgabe seines Handbuchs der Kunst Chinas, Japans und Koreas und bereitete Publikationen vor. Er unterstützte Dietrich Seckel bei seiner Bewerbung für den Lehrstuhl für Ostasiatische Kunst in Heidelberg. Seine Schüler führten seine Lebensarbeit weiter. Werner Speiser (1908-1965; Direktor des Museums für Ostasiatische Kunst in Köln), Aschwin Lippe, Rose Hempel, Thomas Dexel (Kurator am Städtischen Museum in Braunschweig), Johanna Zick-Nissen (Kuratorin für Islamische Kunst am Museum für Islamische Kunst in Berlin), Gisela Armbruster (gestorben 1981; Hochschulassistentin in Heidelberg).
Als Kümmel im September 1951 erkrankte, fand sich für ihn kein Krankenhausbett in Berlin. Freunde organisierten seinen Transport nach Frankfurt in einem Frachtflugzeug des amerikanischen Militärs (zu dieser Zeit gab es noch keine Passagierflüge für Deutsche) und brachten ihn in der Mainzer Universitätsklinik unter. Dort starb er 1952.
Otto Kümmel hat die Grundlagen für die historische Forschung und das kritische Verständnis ostasiatischer Kunst geschaffen und sein Leben diesem Zweck mit gewissenhafter und nicht enden wollender Mühe gewidmet. Er bestand darauf, immer nur das Beste in Betracht zu ziehen. Er schuf die akademische Disziplin der ostasiatischen Kunstgeschichte. Obwohl er sich zunächst auf dem Gebiet japanischer Kunst betätigte, wurde er zu einem Kenner chinesischer Kunst durch das Studium berühmter japanischer historischer Wissenschaftler und Sammler. So verkörperte er die natürliche Einheit des gesamten Feldes ostasiatischer Kunst.
Der bereits erwähnten Biographie von L. Ledderose entnehme ich die folgenden Sätze: « Erst durch Kümmel wurde es in Europa selbstverständlich, dass eine seriöse Beschäftigung mit der ostasiatischen Kunst ohne Kenntnis des Chinesischen und Japanischen nicht mehr möglich sei, und dass die zeitgenössische ostasiatische Forschung ständig rezipiert werden müsse. Kümmel hob die Beschäftigung mit ostasiatischer Kunstgeschichte auf ein wissenschaftliches Niveau und begründete sie als akademische Disziplin. Hiermit wirkte er bahnbrechend. » (zurück)
Marie Meyer, geborene Toberentz (9. Oktober 1833 in Berlin – 13. Mai 1915 in München)
Eine Biographie dieser bedeutenden und einflussreichen Frau ist noch nicht geschrieben worden. Ebenso wenig kann man eine Fotografie von ihr finden. Verfügbar sind der Artikel des Autors über das von Arnold Böcklin gemalte Porträt Marie Meyers und Ernst Großes (Wolfgang Klose: Das verschollene Doppelportrait. MuseumsJournal, Nr. IV, 14. Jhrg. Berlin Oktober 2000, S.10-11), das Buch von Gerd Stolz: Heinrich Adolph Meyer und sein Haus Forsteck in Kiel, Husum 2004, in dem die frühere Literatur zitiert wird und das „Museumsbuch“ des Museums für Kunst und Gewerbe (Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Herausgegeben von Wilhelm Hornbostel und David Klemm, Hamburg 2004). Marie Meyer war die Ehefrau des Hamburger Industriellen Heinrich Adolph Meyer. Dieser war als Amateur ein bedeutender Meeresbiologe, erhielt 1866 dafür die Würde eines Ehrendoktors der Philosophischen Fakultät der Universität Kiel und wurde im gleichen Jahr in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle/Saale gewählt. Nach seinem Tode 1889 siedelte die kinderlose Marie in das so genannte „Hamburgerviertel“ in Freiburg/Br. über. In Titisee im Schwarzwald erwarb sie ein Landhaus, das sie nach ihrem alten Kieler Familiensitz ebenfalls Haus Forsteck nannte.
In Hamburg hatte sie enge Beziehungen zum Museum für Kunst und Gewerbe gepflegt und diesem eine einzigartige Sammlung alter norddeutscher Spitzen (so genannte Probsteier Spitzen) geschenkt. Sie stand mit jungen modernen Künstlern in enger Beziehung (besonders zu erwähnen sind Max Klinger und Arnold Böcklin) und besaß eine umfangreiche, bereits zu ihrer Zeit berühmte Sammlung alter und neuer europäischer Gemälde und Kunst.
1892 nahm sie den Privatdozenten Ernst Große auf Dauer in ihr Haus auf. Nach Außen wurde er als ihr Adoptivsohn vorgestellt. Juristisch war eine Adoption allerdings wegen Großes Alter nicht möglich. Weitere Bewohner des Hauses waren 1895 der Student der Archäologie Otto Kümmel und der junge Künstler Franz Gehri.
Marie Meyer finanzierte den Aufbau einer bedeutenden Sammlung japanischer Kunst, zu der sie Große angeregt hatte. Aus späteren Schenkungslisten von Stücken der Sammlung an Große kann man die erheblichen Mittel abschätzen, die für die Sammlung aufgewendet wurden. Die letzten Ankäufe für die Freiburger Sammlung sind in Briefen dokumentiert, die Große 1907 aus Japan an Marie Meyer schrieb.
Marie Meyer setzte Otto Kümmel als ihren Testamentsvollstrecker ein. Sie hinterließ ihre Sammlung europäischer Kunst, ihr Freiburger Haus und die Japansammlung den Berliner Museen.
Es gibt keine Todesanzeige für sie in einer Freiburger Zeitung. Aus den Großeschen Tagebüchern ist nur der Tag des Begräbnisses in München zu entnehmen (16. Mai 1915). Sie war am 13. Mai. in München, im Hotel Marienbad, Barerstr. 5, gestorben. Otto Kümmel wurde an der Front nur durch die Haushälterin informiert, und zwar am 23. Mai. (zurück)
Ernst Große (auch Grosse, die Schreibungen variieren) (29. Juli 1862 in Stendal – 26. Januar 1927 in Freiburg/Br.)
Nach seiner Promotion in Philosophie an der Universität Halle und Habilitation in Freiburg wurde Große 1889 zum Privatdozenten für Völkerkunde ernannt. Seine erste Vorlesung behandelte die Kunst der Naturvölker. Zeitgleich wurde er als Kurator der städtischen Freiburger Kunstsammlungen angestellt (bis 1902). 1894 publizierte er das Buch „Die Anfänge der Kunst“ und 1896 „Die Formen der Familie und die Formen der Wirtschaft“, beide im Verlag Mohr in Freiburg. Diese Bücher begründeten sein hohes Ansehen und brachten ihm am 16.11.1895 den Titel eines außerplanmäßigen Professors ein.
Nach Ausweis der Quästur-Akten der Universität Freiburg hielt er bis zu seiner Abreise nach Japan 1906 kaum Vorlesungen, nur eine über japanische Kunst. Seine erste Publikation über ostasiatische Kunst erschien in „Die Zeit XXXV (1903), S. 216-219“ mit dem Titel „Japanische Kunst in Europa“. Auf die etatisierte Stelle eines Extraordinarius der Universität Freiburg wurde er 1926 berufen, nachdem er, wie er in seinen privaten Tagebüchern vermerkte, das ihm als Erbe Marie Meyers zugefallene Haus Forsteck am Titisee der Universität überschrieben hatte.
Seit 1892 war er mit Marie Meyer verbunden und widmete sich voll dem Aufbau seiner später berühmten Sammlung japanischer Kunst. Der Ankauf der 120 Kakemonos des Generals Meckel erhob die Meyer-Grossesche Sammlung mit einem Schlag zu internationalem Rang. Große ließ sich von der Universität beurlauben, hatte Wohnsitze in Freiburg und Florenz und war europaweit auf Reisen.
Das Ethnologie-Institut in Freiburg besitzt seine 5 Japan gewidmeten persönlichen Tagebücher. Daraus ist ersichtlich, dass er keinerlei japanische Sprach- oder Schriftkenntnisse hatte und sich der ostasiatischen Kunst rein gefühlsmäßig näherte. Verständlicherweise war er von der Furcht erfüllt, statt echter Kunstwerke nur Nachahmungen zu erwerben. Seine Kenntnisse über japanische Kunst erwarb Große im Wesentlichen aus zwei Quellen. Zunächst ist sein Abonnement der japanischen Kunstzeitschrift KOKKA zu nennen, die klassische japanische Kunstwerke, insbesondere Bilder, in hervorragender Qualität reproduzierte. Der Begleittext war rein japanisch, englischsprachige Hinweise fehlten. Der sprachunkundige europäische Betrachter musste daher eigene Qualitätskriterien entwickeln. An zweiter Stelle ist eine enge Beziehung zu dem japanischen Kunsthändler in Paris, Tadamasa Hayashi zu nennen. Großes Tagebücher lassen den großen Einfluss, den Hayashi auf Großes Verständnis japanischer Kunst ausübte, deutlich erkennen.
Auf die Entwicklung des Berliner Museums für Ostasiatische Kunst nahm Große erheblichen Einfluss. Otto Kümmel hatte als Freiburger Student einige Monate im Haus Marie Meyers gewohnt und war dort von Große für ostasiatische Kunst sensibilisiert worden. Mit Wilhelm von Bode pflegte Große eine intensive Bekanntschaft und vermittelte auch den Kontakt zu Hayashi, infolge dessen Hayashis Nachlass zum Grundstock der Berliner Sammlung wurde. Während seines privaten Aufenthaltes in Japan 1907-1908 half Große im Auftrage Bodes bei den Ankäufen für das Berliner Museum. Vom 30.10.1908 – 30.9.1912 war er auf Empfehlung Bodes Wissenschaftlicher Sachverständiger für die Kulturgüter Chinas, Japans und Koreas bei der Deutschen Botschaft in Peking und kaufte für die Berliner Sammlungen weiter ein. Bode finanzierte sogar eine Fortsetzung dieser Einkaufstätigkeit nach Ende der diplomatischen Anstellung bis 1913. 1913 heiratete Große eine Japanerin, kehrte nach Freiburg zurück und wurde wieder in seine Privatdozentur eingesetzt.
Nach dem Tode von Marie Meyer kam es wegen deren Testaments zu einer juristisch unklaren Situation. Ihr Testament setzte die Berliner Museen zu Erben ihrer gesamten Kunstschätze ein, die Eigentumsverhältnisse der in gemeinsamer Arbeit vereinigten Sammlungen waren aber so undurchsichtig, dass eine Klärung fast unmöglich gewesen wäre, wenn Große nicht einfach auf seine Rechte verzichtet hätte, so dass die Sammlung komplett an die Berliner Museen übergehen konnte.
Die großen Schulden, die mit der Erbschaft Meyer verbunden waren, bereiteten für die Berliner Museen erhebliche finanzielle Probleme. Allerdings waren die Aufwendungen, die mit Annahme der Erbschaft anfielen, geringer als der Wert der Sammlung.
Nachrufe würdigten Große als Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung. Otto Kümmel schließt seine Laudatio mit der Feststellung, dass keiner die ostasiatische Kunst reiner und größer geschaut habe als er (Ostasiatische Zeitschrift, N.F. IV, Heft 3, 1927, 93-107). (zurück)
Tadamasa Hayashi (7. November 1853 in Takaoka – 10. April 1906 in Tôkyô)
Die Literatur über Hayashi ist sehr umfangreich. Sier ist zusammengefasst in dem Buch von Brigitte Koyama-Richard: „Japon Rêvé“, Edmond de Goncourt et Hayashi Tadamasa. Paris 2001.. Hayashi ist wegen seines prägenden Einflusses auf Ernst Großes Verständnis für japanische Kunst zu nennen, der dieses sowohl auf Otto Kümmel als auch auf Wilhelm von Bode übertrug. Da ferner der beste Teil der Privatsammlung Hayashis zum Grundstock der Berliner Museumssammlung wurde, kann man den Einfluss dieses Mannes auf die Ausrichtung, das Verständnis und die Ziele der Berliner Sachverständigen für japanische Kunst kaum überschätzen.
Es gibt objektive Kriterien, die auch heute noch nachzuvollziehen gestatten, welche Anschauung von japanischer Kunst durch Hayashi vermittelt wurde. Dies wird durch die Dokumentation zum Auftritt Japans auf der Pariser Weltausstellung von 1900 möglich. Hayashi war als kaiserlich japanischer Kommissar dafür zuständig und allein verantwortlich. Die inzwischen ausgewerteten Unterlagen dazu aus japanischen Archiven zeigen, dass Hayashi dabei durchaus sehr persönliche Vorstellungen durchzusetzen verstand, die aus dem Bemühen gespeist waren, im Westen ein möglichst qualitätvolles Bild der alten Kultur Japans zu präsentieren. Leider ging er dabei von seiner in den 30 Jahren seiner Tätigkeit als Kunsthändler in Paris gewonnenen Vorstellung aus, dass er die Möglichkeiten europäischen Verständnisses für Japanische Kultur nicht zu hoch einschätzen durfte.
Zur Weltausstellung erschien die mit wunderbaren Bildern illustrierte erste, von Japanern geschriebene Geschichte japanischer Kunst überhaupt (Histoire de l’Art du Japon. Publie par la Commission Impériale du Japon à l’Exposition universelle de Paris 1900. Éditeur: Tadamasa Hayashi. Paris, 1900). Interessant ist diese Publikation wegen der nicht angesprochenen Bereiche japanischer Kunst (nicht zu sprechen von der Gewichtung der einzelnen Bereiche und Epochen). An vorderster Stelle der fehlenden Objekte stehen die Farbholzschnitte. Sie galten Hayashi nicht als Kunst. Er hatte daher auch keine Skrupel gehabt, als Kunsthändler Japan völlig auszuplündern und diese Werke im Westen gewinnträchtig zu verkaufen (was schon um 1910 in Japan bitter vermerkt und angeklagt wurde). Zum anderen ist Hayashis Meinung vom begrenzten westlichen Verständnis für japanische Kunst daran zu erkennen, dass es weder in dem Buch noch in der Ausstellung Hinweise auf die große Bedeutung kalligraphischer Kunstwerke gibt. Stattdessen bezieht sich der Text immer wieder auf europäische Kunst, um japanische zu erklären, kann damit also nur ausreichend Ähnliches enthalten – aber beispielsweise keine Kalligraphie. (zurück)
Justus Brinckmann, Adolf Fischer, Oskar Münsterberg
Immer wieder finden sich in den Briefen Wilhelm von Bodes an Otto Kümmel negative Bemerkungen über Justus Brinckmann, Adolf Fischer und Oskar Münsterberg.
Justus Brinckmann (1843-1915, Hamburg) war der Gründer des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, das im Jahre 1902 bereits sein 25 jähriges Jubiläum feiern konnte (vergleiche das bereits erwähnte Hamburger Museumsbuch). Darin hatte Brinckmann als erster Museumsmann eine Abteilung japanischer Kunst aufgebaut, deren qualitätvolle Sammlungsstücke aus den Bereichen Schwertzierrate, Keramik, Lacke, Farbholzschnitte und buddhistische Kunst hoch berühmt war. In der Festschrift „Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, dargestellt zur Feier des 25 jährigen Bestehens…“ schrieb Woldemar von Seidlitz: Ein besonderes Verdienst des Museums ist es, die Bedeutung Japans für die moderne Kunst und namentlich das Kunstgewerbe nicht nur früher erkannt zu haben, als irgend welche andere öffentliche Sammlung Europas, sondern bis auf den heutigen Tag die Erzeugnisse dieses Landes mit einem Eifer und einer Gründlichkeit gesammelt zu haben, die ihresgleichen suchen Brinckmann hatte seine Sammlung mit Unterstützung des aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammenden Pariser Kunsthändlers Siegfried Bing aufgebaut. Bing galt seinerzeit als erster und größter Händler mit japanischen Kunstwerken. Er war auch einer der Motoren der für die moderne Kunst tief greifenden Mode des „Japonismus“. Bing prägte den Begriff „Art Nouveau“. Hayashi und Bing waren geschäftliche Konkurrenten. Als Große in Paris als Käufer auftrat, war Hayashi der führende Händler. Große suchte weder Kontakt zu Bing, noch war er bereit, dessen Ware als japanische Kunst anzusehen. (zurück)
Man kann aus den Bodeschen Briefen auch auf die Einstellung Großes zu Brinckmann Rückschlüsse ziehen, wenn man von der ‚unerklärlichen’: Ablehnung von Große durch Gustav Jacoby liest. Da Bode die Großesche Anschauung über japanische Kunst übernommen hatte, war Brinckmann für ihn dann auch kein Partner beim Aufbau des neuen Berliner Museums.
Adolf Fischer und Oskar Münsterberg Autodidakten, die sich mit Hingabe der Verbreitung der Kenntnis japanischer Kunst in Deutschland widmeten. Adolf Fischer war Vorgänger Großes als diplomatischer Beauftragter für die Kultur Chinas, Japans und Koreas gewesen und hatte einen ersten Teil seiner privaten Sammlung der Ostasienabteilung des Berliner Museums für Völkerkunde unter dem Direktor F.W.K. Müller geschenkt. Den Rest konnte er in Berlin nicht mehr unterbringen. Sie wurde der Grundstock des von ihm gegründeten Museums für Ostasiatische Kunst in Köln. Oskar Münsterberg erregte mit seinen Büchern zur asiatischen Kunst wegen seines typisch europäischen Denkansatzes die harsche Kritik der Berliner Schule. (zurück)
ANHANG (aus anderen Werken übernommene Biographien)
Dem 2. Band (Kommentare) der oben zitierten Biographie Wilhelm von Bodes sind folgende Daten zu Woldemar von Seidlitz, Albert Grünwedel und Friedrich Wilhelm Karl Müller wörtlich entnommen (dort auch Literaturangaben).
Woldemar von Seidlitz (1850-1922) studierte in Leipzig Kunstgeschichte und war 1879-84 Direktorialassistent am Berliner Kupferstichkabinett. 1885 wurde er als Nachfolger von Wilhelm Rossmann zum Vortragenden Rat der Generaldirektion der staatlichen Sammlungen am sächsischen Ministerium nach Dresden berufen. Er war u.a. bemüht, die Kunstwerke privater Sammler für die Dresdener Museen zu gewinnen und außerdem die Bestände des Kupferstichkabinetts auszubauen. Bei der 1906 in Berlin veranstalteten Deutschen Jahrhundertausstellung gehörte er dem Vorstand an. Für diese Ausstellung verfaßte er auch einen Führer. Seit den 1890er Jahren veröffentlichte Seidlitz mehrere monographische Werke, u.a. über Raffaels Jugendwerke (1891) und über Leonardo (1909). Außerdem beschäftigte er sich in Deutschland als einer der ersten Kunsthistoriker mit japanischer Kunst und publizierte 1897 eine Geschichte des japanischen Farbholzschnitts. (zurück)
Albert Grünwedel (1856-1935) arbeitete nach seiner Promotion mit einer Arbeit über singhalesische Handschriften (1879) zunächst seit 1881 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, dann seit 1883 als Direktorialassistent unter Adolf Bastian am Berliner Museum für Völkerkunde, wo er sich auf die Kunst Indiens und Südostasiens spezialisierte. Nach seiner ersten Reise nach Turfan (Ost-Turkestan), wo er von 1902-03 Ausgrabungen durchführte, wurde er 1904-21 Direktor der Vorderasiatischen und Indischen Abteilung des Museums für Völkerkunde. Seine Forschungen über die zentralasiatische Kultur- und Sprachgeschichte und besonders zur buddhistischen Kunst in Indien und zur buddhistischen Mythologie in Tibet und der Mongolei haben der westlichen Welt ein neues Forschungsfeld erschlossen. Grünwedels erstes Buch Buddhistische Kunst in Indien (1893) wurde zu einem Standardwerk, das auch ins Englische übersetzt wurde (1901). 1905-07 fand die zweite, von Bode erwähnte Reise nach Turfan statt. (zurück)
Friedrich Wilhelm Karl Müller (1863-1930) Orientalist und Japanologe, begann seine Museumslaufbahn 1887 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Berliner Museum für Völkerkunde. Er wurde 1896 zum Direktorialassistenten und 1906 zum Leiter der Ostasiatischen Abteilung des Völkerkundemuseums ernannt. Müller gelang die Entzifferung der auf der Turfan-Expedition geborgenen mittelpersischen Handschriftenreste; auch zur Erforschung anderer asiatischer Sprachen konnte er Wesentliches beitragen. In der Auseinandersetzung um die Neuordnung des Völkerkundemuseums lehnte er die Ausgliederung einer Kunstabteilung ebenso strikt ab wie die Aufspaltung in eine Schau- und eine Studiensammlung, weil er befürchtete, die verbleibenden ethnographischen Objekte könnten zu einem bloßen Raritätenkabinett werden. Müller blieb bis 1928 Direktor der Ostasiatischen Abteilung. (zurück)
Albert von le Coq (1860-1930) Begann erst 1900 mit dem Studium orientalischer Sprachen an der Universität Berlin, wurde aber bereits 1904 zum Leiter der zweiten deutschen Turfan-Expedition bestellt. Am Völkerkundemuseum arbeitete er unbezahlt bis 1914, wurde dann Kurator und 1923 Direktor der indischen Abteilung Das British Museum in London publizierte im Rahmen der Würdigung der Arbeit von Sir Aurel Stein auch eine ausführliche Biographie von Albert le Coq (Autorin Catrin Kost): http://www.britishmuseum.org/research/research_publications/research_publications_online/sir_aurel_stein1.aspx zurück
Im Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz, Band 26 für 1989 Gebr. Mann Verlag, Berlin 1990. S. 99-121 widmete Hartmut Walravens dem damaligen Direktor der Kunstbibliothek in Berlin einen ausführlichen biographischen Artikel:
Curt Glaser (1879-1943): Zum Leben und Werk eines Berliner Museumsdirektors
Hans Gierke (1847-1886): Gierke hatte in Tôkyô 1876-1881, als Professor der Anatomie an der dortigen medizinischen Akademie, japanische Kunst gesammelt. 1882 konnte er seine Bilder im Kunstgewerbemuseum Berlin ausstellen. Diese Ausstellung fand in Paris ein positives Echo, wie aus dem Buch von Louis Gonse: L’ Art Japonais hervorgeht. In Berlin war ihr keine weitere Aufmerksamkeit vergönnt. (vergl. den obigen Eintrag zu Bode)
zurück
|