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Naturwissenschaft, Kunst- und Kulturgeschichte

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Orientteppiche als Inspirationsquelle des Malers Hans Purrmann (1880-1966).
Seine Sammlung von Fragmenten und kompletten Stücken.


Katalog in der Edition Franz Bausback, Mannheim 2004

Christine Klose

Der deutsche Maler Hans Purrmann war ein passionierter Sammler, der aus vielen Bereichen der Kunst Objekte zusammentrug. Aus dem orientalischen Raum sammelte er – neben Keramik und Buchmalerei – Textilien und Teppiche, deren Formenreichtum und Farbigkeit ihn faszinierten. Sie dienten ihm als Inspirationsquelle für seine Malerei, die sich durch kräftige, leuchtende Farben auszeichnet. Ihn fesselte die künstlerische Qualität der Stücke. So erkannte er den Reiz von Fragmenten, ungeachtet ihrer z. T. schlechten Erhaltung und Stückelung. Seine Auswahl zeugt von sicherem Qualitätsempfinden. Es sind alles Stücke von schönen klassischen Teppichen, darunter sind einige von großer kunsthistorischer Bedeutung und damit interessant für die Teppichforschung. Offenbar erkannte er unter abgeriebenem Flor und der Farbpatina das Kunstwerk, was vielleicht einem ungeschulten oder künstlerisch weniger fähigen Auge nur als “Fetzen” erscheinen mag.
Über die Erwerbungsgeschichte ist nur sehr wenig bekannt. Vier Fragmente (Nr. 2, 6, 9, 17) stammen von gleichen Teppichen wie Fragmente in der bedeutenden Sammlung des Florentiner Kunsthändlers und Sammlers Stefano Bardini (1836-1922). Diese Sammlung ist als sein Vermächtnis im städtischen Bardini-Museum verwahrt.
In der Ausstellung "Alte Orientteppiche, ausgewählte Stücke deutscher Privatsammlungen" im Völkerkundemuseum in München wurden 1985 acht der insgesamt zwanzig Exemplare der Purrmann-Sammlung gezeigt (Katalog herausgegeben von Martin Volkmann, München 1985). Die im folgenden zu der kompletten Folge aller 20 Stücke gegebenen Beschreibungen enthalten die Ergebnisse meiner Arbeiten aus neuerer Zeit.

PERSISCHE TEPPICHE

1
Zusammengehörige Fragmente eines nordpersischen Medaillon-Kartuschenteppichs
Ende 15. Jahrhundert, zusammen 218 x 224 cm,
Archiv-Nr. 6191 bis 6195

Das interessanteste Fragment der Purrmann - Sammlung ist das wahrscheinlich älteste heute bekannte persische Knüpfwerk /1/ (Abb.1). Aus dem hohen Alter erklärt sich der mitgenommene Zustand. Es besteht aus vier direkt zusammengehörigen Fragmenten (ein fünftes sehr kleines ist hier nicht abgebildet). Das Fragment gibt fast die Hälfte eines Teppichs wieder, der einst ca. 450 x 230 cm groß war. Er stammt noch aus dem 15. Jahrhundert und damit noch aus der Zeit der turkisch-mongolischen Timuridenherrschaft, bevor die Dynastie der Safaviden ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts für gut 200 Jahre die Herrschaft in Persien inne hatte. Wir wissen aus der persischen Buchmalerei des 15. Jahrhunderts, dass zur Timuridenzeit kunstvolle Teppiche in Persien hergestellt wurden. Neben strengen, geometrischen Mustern zeichnet sich eine Gruppe dieser sehr frühen Teppiche durch Muster mit sich raffiniert überlappenden Kartuschen aus. Es ist ein Glücksfall, dass sich eine Miniatur aus dem Jahre 1485 erhalten hat /2/, auf der ein Teppich dargestellt ist mit dem gleichen Grundmuster wie das Kartuschenmuster des ältesten Purrmann-Fragments (Abb. 1a). Der Vergleich macht deutlich, dass es sich um Überlappungen handelt. Auf unserem Fragment sind die Kartuschen zusätzlich von einem Zentralmedaillon überlagert. Der Medaillonstil, der in der islamischen Kunst in den darauf folgenden Jahrhunderten so große Bedeutung gewann, begann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Es ist wohl der früheste Teppich, der Kartuschenmuster und Zentralmedaillon vereinigt. So lässt sich das Fragment in das Ende des 15. Jahrhunderts datieren.
/1/ Christine Klose, “Traces of Timurid Carpets in Contemporary and Later Carpets from the Near East”, Vorträge zur Konferenz Carpets and Textiles in the Iranian World, 1400-1700, Oxford, im Druck) . /2/ The Bodleian Library in Oxford, Amy Briggs, “Timurid Carpets II”, Ars Islamica XI-XI (1946), p. 154

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Abb. 1
Fragment eines nordpersischen Medaillon-Kartuschenteppichs, Ende 15. Jahrhundert, 218 x 224 cm.

Abb. 1a
Schema des Kartuschenmusters von Abb. 1 im Vergleich zum Schema eines auf einer persischen Miniatur vom Jahr 1485 dargestellten Teppichs
Schema nach Amy Briggs, Timurid Carpets II, Ars Islamica, XI-XII, 1946, Fig. 8)

2
Bordürenfragment eines nordwest-persischen Medaillonteppichs,
Beginn 16. Jahrhundert,
37 x 38 cm, Archiv-Nr. 6182

Dieses Fragment ( Abb. 2) folgt chronologisch auf Nr. 1. Es wurde einst aus dem Rahmenstreifen, der Bordüre, eines der sehr frühen Medaillonteppiche mit floralem Untergrundmuster geschnitten. Es ist möglich, ein genaueres Bild des ursprünglichen Teppichs zu gewinnen, da zwei große Fragmente eines Teppichs erhalten sind – davon eines im Bardini-Museum in Florenz /3/, – deren Hauptbordüre bis in die Details dem Purrmann-Stück gleicht (Abb. 2a). Da keine weiteren Stücke mit genau der gleichen Bordüre bekannt sind, gehörte das Purrmann-Stück sicher zum gleichen Teppich. Das große Bardini-Fragment gibt eine Vorstellung vom Muster des ganzen Teppichs. Die Bordüre ist mit drei verschlungenen, verschieden farbigen Bändern und aufgelegten Blüten gemustert. Das Besondere sind kleine weiße Rosetten (auf dem Purrmann-Bordürenfragment ist gerade eine Rosette enthalten) aus Baumwolle, die weißer wirkt als weiße Wolle. Diese Hervorhebung durch Baumwolle ist in Persien ganz selten, wohl aber von türkischen Hofteppichen aus dem Ende des 16. und dem 17. Jahrhundert bekannt. Im Zentrum des Teppichs liegt ein großes Medaillon, von dem das Bardini-Fragment gerade noch drei Zipfel zu erkennen gibt. (Es ist in Abb. 2a über die später angenähte Querbordüre hinaus skizziert). Das Medaillon hat zwei große Anhänger, und in den Feldecken liegen Viertelmedaillons. Das rotgrundige Feld ist mit Ranken und Blüten geschmückt.

/3/ Das zweite Fragment war einst in der Sammlung von Ungar André in Ungarn, Kurt Erdmann, “The Art of Carpet Making, in: A Survey of Persian Art”, Rezension in Ars Islamica VIII (1941), p. 149

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Abb. 2
Bordürenfragment eines gleichen Medaillonteppichs wie Abb. 2a, 37 x 38 cm

Abb. 2a
Großes Fragment eines nordwest-persischen Medaillonteppichs, Beginn 16. Jahrhundert, 254 x 237 cm, Bardini-Museum Florenz, no. 734. (Nach einer Farbabbildung aus: Alberto Boralevi, Herausg., Oriental Geometries, Stefano Bardini and the Antique Carpet, 1999, no. 33). Die orangefarbene Markierung gibt den dem Fragment 2 entsprechenden Abschnitt an.

06
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Abb.3
Kleines Bordürenfragment eines nordwest-persischen Medaillon-teppichs. 1. Hälfte 16. Jahrhundert, 31 x 25 cm.

Abb. 3a
Nordwest-persischer Medaillonteppich, 1. Hälfte 16. Jahrhundert, 662 x 334 cm, Wien, Museum für angewandte Kunst, Inv. Nr. T 8342/1922. (Nach einer Farbabbildung aus: Angela Völker, Die orientalischen Knüpfteppiche im Museum für angewandte Kunst Wien, 2001, Nr. 89). Sein Bordürenmuster gleicht dem des Fragments 3. Die grüne Markierung gibt den dem Fragment 3 entsprechenden Abschnitt an
.

 4
Fragment aus der (rechten) Außenbordüre eines südpersischen “Vasen”-Teppichs mit Arabesken und Blütenstauden, 17. Jahrhundert,
43 x 15 cm, Archiv-Nr. 6233

Das kleine, auf den ersten Blick unscheinbar wirkende Fragment ist aus der rechten Bordüre eines großen Teppichs geschnitten (Abb. 4a). Dieser gehört zur Gruppe der im 17. Jahrhundert geknüpften sogenannten “Vasen”-Teppiche. Viele dieser Teppiche tragen keine Vasen, aber der Name wird für alle Stücke verwendet, denen eine spezielle technische Struktur eigen ist und die deshalb sehr wahrscheinlich in nahe beieinander liegenden Werkstätten, vermutlich in Kirman, geknüpft wurden (s. Nr. 5). Die Aussenbordüren des grossen Fragments von Abb. 4a und eines zweiten Fragments in New York / 5 / , offenbar vom gleichen Teppich, haben in allen Details das gleiche Kartuschenmuster wie das kleine Purrmann-Stück. Auch der kleine rotgrundige Streifen an der Seite des Fragments stimmt mit der Hauptbordüre des großen Fragments überein. Genau die gleiche Bordürenform ist von keinem weiteren Teppich bekannt, so dass das Purrmann-Bordürenstück sicher vom gleichen Teppich stammt. Bemerkenswert ist die sehr große Feinheit der Knüpfung. Auch bezüglich seines Musters ist er ein ganz besonderer Teppich mit breiten verschlungenen Arabeskranken, dazwischen Blütenstauden. Nur sehr wenige “Vasen”-Teppich-Fragmente (keine kompletten Teppiche) sind mit diesem Arabesk-Muster erhalten / 6 /.
/ 5 / Das bei Christie's London versteigerte Stück ist publiziert in: Jean Lefevre: The Persian Carpet, London 1977, p.33, Nr.5. Das andere Fragment ist in New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. L 1978. 9. 2., unpubliziert.
/ 6 / Weitere “Vasen”-Teppich-Fragmente mit Arabeskmuster: Wien, Museum für angewandte Kunst, Inv. Nr. T 7346/ 1912, Angela Völker, Die orientalischen Knüpfteppiche im Museum für angewandte Kunst in Wien, (2001), Nr. 94; ehemals Bernheimer Sammlung, Christie’s London , 14. 02, 1996, Nr. 150; New York, Metropolitan Museum of Art, ehemals McMullan Collection, Joseph McMullan, Islamic Carpets (New York, 1965), Nr. 20 und 21

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Abb. 4
Kleines Fragment aus der Außenbordüre des gleichen Teppichs wie Abb. 4a, 43 x 15 cm

Abb. 4a
Großes Fragment eines südpersischen “Vasen”-Teppichs mit Arabeskmuster, 17. Jh., 189 x 99 cm, Christie’s London, Auktion 3. 5. 2001, no. 77. (Nach einer Farbabbildung im Auktionskatalog). Die orangefarbene Markierung gibt den dem Fragment 4 entsprechenden Abschnitt auf der symmetrisch gelegenen linken Seite an.

5
Feldfragment eines südpersischen “Vasen”-Teppichs mit einfachem Gittermuster,
spätes 17. Jahrhundert,
105 x 149 cm, Archiv-Nr. 6168

Der kleine Ausschnitt dieses Fragments lässt das Gittermuster nur erahnen, das sich auf dem einstigen Teppich über das ganze Teppichfeld fortlaufend erstreckte. Es sind noch weitere weit verstreute Fragmente mit dem gleichen Muster bekannt / 7 /. Sie stammen vermutlich von zwei fast gleichen Teppichen.
Die meisten der “Vasen”-Teppiche haben Gittermuster; die frühesten sind aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Bei ihnen liegen drei Gittersysteme in Schichten übereinander. Außerdem gibt es solche mit zwei Schichten und weitere mit einfachem Gitter wie dieses Purrmann-Stück. Die Mehrzahl der einfachen Gitter-Vasenteppiche sind später entstanden als die vielschichtigen.
Das Feld hat eine gelbliche Grundfarbe. Die annähernd rautenförmigen Gitterfelder tragen in ihren Zentren ein sternförmiges Medaillon umgeben von Blättern und Ranken und kleinen Wolkenbändern. Diese schlangenartigen Motive sind aus der chinesischen Kunst übernommen und waren im vorderen Orient sehr beliebt, wie dies auch mehrere Stücke der Purrmann-Sammlung zeigen.
/ 7 / Sie sind verstreut in Museen in Berlin, Düsseldorf, Lyon, Budapest, Philadelphia, St Louis und Baltimore. Ein Fragment war einst in der Baranovicz-Sammlung und kam von dort zu Peter Bausback, und zwei Stücke waren 1976 und 1987 im Londoner Kunsthandel.

 

07

Abb. 5
Feldfragment eines südpersischen “Vasen”-Teppichs, mit einfachem Gittermuster, spätes 17. Jahrhundert, 105 x 149 cm

Spiralrankenteppiche der sogenannten “Herat”-Gruppe,
17. Jahrhundert

(lfd. Nr. 6-9)

Die Herkunft dieser Teppiche ist umstritten, es existieren darüber keine sicheren Dokumente. Viele Jahrzehnte wurde Herat im damaligen Ostpersien (heute in Afghanistan) angenommen; seit einigen Jahren wird von manchen Experten Isfahan in Mittelpersien bevorzugt. Die Frühesten, die zusätzlich viele Tierdarstellungen zeigen, sind noch aus dem Ende des 16. Jahrhunderts; die überwiegende Mehrzahl stammt aus dem 17. Jahrhundert. Sie sind schon damals in größerer Zahl nach Europa exportiert worden. Die Grundfarbe des Feldes ist (fast) immer Rot; die Musterung basiert auf Spiralranken, die mit vielen großen und kleinen Blüten und eingestreuten Wolkenbändern (s. Nr. 5) versehen sind. Die früheren Stücke haben zwei in Schichten übereinander liegende Rankensysteme, später kommen auch Teppiche mit nur einem System vor. Das Muster ist sowohl um die Längs- als auch um die Querachse gespiegelt.

6
Zwei Fragmente eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat) "A" und "B"
1. Hälfte 17. Jahrhundert 95 x 26 cm und 85 x 53 cm, Archiv-Nr. 6179, 6180
Auf dem größeren Stück 6A (Abb. 6) ist ein Teil des Feldes mit dazugehöriger Bordüre zu sehen. Das Feldmuster enthält zwei Rankensysteme (ein weißes und ein fast schwarzes), auf denen Blüten von der für diese Gruppe typischen Form sitzen. Im unteren (auf Abb. 6 linken) Teil liegen die Motive spiegelsymmetrisch, so dass dort die Querachse des ursprünglichen Teppichfeldes vermutet werden muss. Das kleine Stück 6B vom gleichen Teppich ist aus zwei Bordürenteilen, die einst nicht direkt aneinander schlossen, zusammengenäht. Davon zeigt das eine Teil den Eckansatz. Das Blütenmuster auf dunkelblauem Grund ist typisch für Bordüren dieser Spiralrankenteppiche. Im Bardini-Museum in Florenz befindet sich ein Feldfragment vom gleichen Teppich / 8 /. Der Vergleich mit dem Purrmann-Stück zeigt, dass der rechte Rand des bordürenlosen Bardini-Stückes einst der Feldrand war.
/ 8 / Bardini-Museum, Florenz, Nr. 7859, 90 x 38 cm, Alberto Boralevi, Herausg., Oriental Geometries, Stefano Bardini and the Antique Carpet (Florenz, 1999), Nr. 37

08

Abb. 6
Fragment eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), 1. Hälfte 17. Jahrhundert, 85 x 53 cm

7
Feldfragment eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), Mitte 17. Jahrhundert, 61 x 138 cm
Archiv-Nr. 6205

Dieses Feldfragment enthält die Längsachse, was an der Spiegelgleichheit zu beiden Seiten erkennbar ist. Dem Muster liegen zwei Rankensysteme zugrunde, ein dunkel- und ein hellblaues. Am unteren Schnittrand liegen zwei ockerfarbene Wolkenbänder.

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Abb. 7
Feldfragment eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), Mitte 17. Jahrhundert, 61 x 138 cm

8
Zwei Fragmente eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), Ende 17. Jahrhundert ,
220 x 160 cm und 278 x 46 cm, Archiv-Nr. 6029 a, b

Vom Teppich sind zwei Fragmente erhalten, ein Eckstück 8A (Abb. 8) mit Feldteil und ein reines Bordürenstück 8B. Die Bordüre verdient besondere Beachtung, sowohl wegen ihrer glutvollen Farben als auch wegen ihrer schönen und seltenen Zeichnung. Es lässt sich gut verstehen, dass ein Maler von der Ästhetik des Stückes fasziniert war. So nimmt es auch nicht Wunder, dass Hans Purrmann das Fragment als Hintergrund mehrerer Porträtbilder verwendete (s. Beitrag von Christian Lenz, Abb. 6).
In der Bordüre liegt auf einem schwarzblauen Untergrund eine dünne hellbraune Ranke, an der in alternierenden Richtungen große Blüten sitzen. Diese Blüten sind von Arabeskblättern umgeben, abwechselnd in leuchtendem Rot und in Grün. Die Arabesken überschneiden sich so, dass sie eine fischblasenähnliche Figur umschließen.
Das Feld enthält nur ein (statt der zwei) System von Spiralranken, hier in Hellgrün gehalten. Die schlechte Erhaltung des Teppichfeldes gestattet keine Verfolgung der Spiralen. Es ist jedoch erkennbar, dass in Längsrichtung in der Mitte des erhaltenen Feldes eine Spiegelachse liegt, wobei alle Formen nicht aber alle Farben zu beiden Seiten spiegelgleich sind. Diese Achse kann nicht die mittlere Längsachse des ursprünglichen gesamten Teppichs gewesen sein. Das Feld wäre dann unproportioniert schmal, und außerdem zeigt das Bordürenmuster am rechten Schnittrand keinen Eckansatz. Vermutlich saß die Längsachse am Schnittrand, damit hätte das große Fragment die halbe Breite des ursprünglichen Teppichs. Die Querachse ist auf diesem Fragment nicht enthalten. So lässt sich aus dedn beiden Fragmenten nur eine Mindestlänge angeben.
Folgende Tatsachen sprechen für eine Datierung in das Ende des 17. Jahrhunderts: Das Bordürenmuster kommt erst bei Teppichen aus dem späten 17. Jahrhundert vor. Ferner hat das Stück nur ein Rankensystem und keine Wolkenbänder.

10

Abb. 8
Fragment Fragment eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), 17. Jahrhundert, 220 x 160 cm

 

9
Bordürenfragment eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), 17. Jahrhundert
,
25 x 57 cm, Archiv-Nr. 6184

Das kleine, sehr farbkräftige Fragment stammt von der dunkelblauen Bordüre eines einst sehr großen Spiralrankenteppichs. Diese Aussage ist nur möglich, weil vom gleichen Teppich große Teile der – für Spiralrankenteppiche typischen – Bordüre erhalten sind, auch hier wieder im Bardini-Museum in Florenz (Abb. 9a). So kann man das Purrmann-Fragment 9 mit der Bardini-Bordüre in Deckung bringen, was natürlich wegen der leichten Variationen längs der Bordüre nicht exakt gelingt. Man sieht, dass das Fragment Teil einer rund 60 cm breiten Bordüre mit sehr großen Blüten war. Eine Bordüre dieser Mächtigkeit kann nur einen sehr großen Teppich umrahmt haben, von dessen Feld leider nichts erhalten ist. Das Fragment, auf dem Teile dreier Blüten zu erkennen sind, liegt senkrecht zum Bordürenrand und hat die volle Breite der ursprünglichen Bordüre. Der einst innere Bordürenstreifen wurde nachträglich an korrekter Stelle angenäht

 

12

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Abb. 9
Kleines Bordürenfragment des gleichen Teppichs wie Abb. 9a, 25 x 57 cm

Abb. 9a
Großes Bordürenfragment eines Spiralrankenteppichs, Isfahan? (oder Herat), 17. Jh., 65 x 390 cm, Bardini-Museum Florenz, no. 41. (Nach einer Farbabbildung aus: Alberto Boralevi, Herausg., Oriental Geometries, Stefano Bardini and the Antique Carpet, 1999, no. 41a). Die orangefarbene Markierung gibt den dem Fragment 9 entsprechenden Abschnitt an.


TÜRKISCHE TEPPICHE

Lotto -Teppiche, Ushak (Nordwest-Anatolien)

(lfd. Nr. 10 und 11)

Die anatolischen, sogenannten Lotto-Teppiche haben ihren Namen nach dem italienischen Maler Lorenzo Lotto (1480-1556), der (neben anderen Malern) diese Teppiche mehrmals auf seinen Bildern darstellte. Sie waren sehr beliebt und wurden über 200 Jahre von der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis etwa zum Ende des 18. Jahrhunderts hergestellt. Sie wurden viel nach Europa exportiert, wie die zahlreichen Darstellungen auf europäischen Gemälden belegen.
Ihr Herstellungsgebiet ist nicht gesichert. Für die Mehrzahl der Lotto-Teppiche wird das Gebiet von Ushak in Nordwest-Anatolien angenommen.
Die Musterformen sind (fast) immer in einem leuchtenden Gelb gehalten und liegen, dunkel konturiert, auf rotem Grund. Kleine Flächen sind in Blau ausgeführt. Das Muster ist im unendlichen Rapport angelegt. Es wird gebildet aus zwei versetzen Hauptelementen, die alle durch Äste vertikal und horizontal miteinander verbunden sind. Die Grundformen der beiden Elemente kann man vereinfachend als ein Kreuz mit Rautenumriss und als ein Oktogon bezeichnen. Jedes Element ist relativ komplex aus stilisierten Palmetten, Blättern und Ranken mit kleinen Verästelungen zusammengefügt.

10
Drei Fragmente eines Lotto-Teppichs, Ushak?, Ende 16. Jahrhundert

150 x 37 cm ; 128 x 25 cm; 53 x 27 cm. Archiv-Nrn. 6216, 6217, 6218

Die drei Fragmente sind Teile ein und des selben Teppichs. Die Farbenleuchtkraft dieses Teppichs hebt sich von den Farben der üblichen Lotto-Teppiche ab. Die Bordürenmusterung mit Wolkenbändern in dieser feinen Form ist auf Lotto-Teppichen relativ selten, tritt aber später in grober Version an kleinen Lotto-Teppichen häufig auf. Sie ist noch nicht bei den ältesten Lotto-Teppichen zu finden. Aufgrund der sehr präzisen Zeichnung lässt sich der Teppich noch in das Ende des 16. Jahrhunderts datieren
.

13

Abb. 10 Drei Fragmente eines Lotto-Teppichs, Nordwest-Anatolien, Ushak?, Ende 16. Jahrhundert, 150 x 37 cm und 128 x 25 cm und 53 x 27 cm

11
Lotto-Teppich, Ushak?, 17. Jahrhundert,

136 x 115 cm, Archiv-Nr. 6140

Auf diesem kompletten Lotto-Teppich sind die Motive etwas verschnörkelter ausgeführt. Man nennt solche Stücke Lotto-Teppiche im ornamentierten Stil im Gegensatz zu der Form von z.B. Nr. 10, bei der man (etwas unspezifisch) vom anatolischen Stil spricht. Das Bordürenmuster mit eckiger Wellenranke, an der gegenständige Blüten sitzen, ist bei Lotto-Teppichen sehr selten / 9 /. Er kommt aber als Umrahmung um und zwischen den Rechteckfeldern in großgemusterten Holbein-Teppichen aus dem 16. Jahrhundert vor. Lotto-Teppiche im ornamentierten Stil treten erst ab dem 17. Jahrhundert auf. So hat sich das Bordürenmuster über längere Zeit tradiert, ein häufiger Vorgang bei Orientteppichen.
/ 9 / Der Lotto-Teppich in London, Victoria and Albert Museum, Inv. Nr. T. 348-1920 hat diese Bordüre, publiziert in: Jennifer Wearden, Oriental Carpets, Highlights from the V&A Collection (London, 2003), Pl. 115

14

Abb. 11
Lotto-Teppich, Nordwest-Anatolien, Ushak?, 17. Jahrhundert, 136 x 115 cm

12
Fragment eines Medaillon-Ushaks, Nordwest-Anatolien, 17. Jahrhundert,

zusammen 41-59 cm x 227 cm, Archiv-Nrn. 6214, 6215

Das (dreiteilige) rotgrundige Fragment ist ein relativ schmaler, horizontal liegender Ausschnitt aus einem großen Teppich, der zu einer sehr verbreiteten türkischen Gattung, den Medaillonteppichen aus Ushak, gehört. Auch dieses Stück zeichnet sich durch kräftige Farben aus. Die Medaillon-Ushaks tragen auf der Längsachse ein spitzovales Medaillon mit Anhängern oben und unten; bei den größeren Teppichen können es auch mehrere Medaillons untereinander sein. Auf dem rechten Teil des Fragments sieht man am unteren Rand gerade noch den äußeren Teil des Mittelmedaillons, kenntlich durch die typische geflammte, zipflige Umrandung, hier in seltenem Grün. Am oberen Rand erscheint ein durchschnittener Anhänger, der das Mittelmedaillon berührt. An den Feldrändern haben diese Teppiche von der Bordüre durchschnittene (meist halbierte) Sekundärmedaillons von komplexer Sternform und mit Anhängern. Ein Teil eines solchen Sekundärmedaillons ist am linken Feldrand des Fragments sichtbar (einschließlich eines Teils seines Anhängers). Es ist dunkelblau und hat leuchtend gelbe Konturen. Am rechten Rand, symmetrisch gelegen, erscheint ein kleiner Zipfel des rechten Sekundärmedaillons. Durch Vergleich mit komplett erhaltenen Medaillon-Ushaks lässt sich genau rekonstruieren, wo das Fragment bei dem ursprünglichen Teppich saß (Abb. 12a). Der rote Untergrund des Fragmentfeldes ist mit feinen blauen Ranken, an denen Blüten und Blätter hängen, gemustert. Gut erkennbar ist die Spiegelgleichheit zu beiden Seiten der Längsachse. Die dunkelblaue Hauptbordüre hat ein typisches Ushak-Muster, das allerdings relativ selten einen Medaillon-Ushak umrahmt / 10 /. Am häufigsten erscheint das Bordürenmuster auf Doppelnischen-Ushaks, wie wir es auf dem folgenden Teppich sehen. Das Muster wird gebildet von hin- und herlaufenden Bögen, die von paarweise gegenüberstehenden Arabeskblättern getragen werden; in den Bögen stehen stilisierte Blüten.
Es lässt sich die Breite des ursprünglichen Teppichs angeben, da auf dem Fragment sowohl der linke Rand als auch die Mittelachse enthalten sind. Er hatte die beachtliche Breite von ca. 3,5 m. Die Länge ist allerdings nicht abzuschätzen, da es sowohl langgestreckte Medaillon-Ushaks gibt mit mehreren Medaillons als auch solche, die einem quadratischen Format angenähert sind. In jedem Falle war er recht groß.
Die Lücke im einen Fragment ist unprofessionell repariert, wenn auch die Verbindung an der richtigen Stelle sitzt. Die aufgestickten blauen Linien haben nicht den ursprünglichen Verlauf.
/ 10 / Medaillon-Ushak mit der Bogen-Bordüre (außer Abb. 12 a): Cassirer-Sammlung, Leihgabe Museum für islamische Kunst Berlin, Kurt Erdmann, Europa und der Orienttepppich (Berlin und Mainz, 1962), Abb. 48

 

12

12a

Abb. 12
Fragment eines Medaillon-Ushaks, Nordwest-Anatolien, 17. Jahrhundert, 41-59 cm x 227 cm

Abb. 12a
Medaillon-Ushak, frühes 17. Jahrhundert, 268 x 273 cm (eine Hälfte erhalten), Philadelphia Museum of Art, Inv. Nr. 55-65-14. (nach einer Farbabbildung aus: Charles Grand Ellis, Oriental Carpets, Philadelphia Museum of Art, 1988, no. 20). Die grüne Markierung gibt den dem Fragment 12 entsprechenden Abschnitt an.

13
Teppich mit großen Wolkenbändern. Nordwest-Anatolien, Gebiet von Ushak?, 16./17. Jahrhundert,
200 x 145 cm, Archiv-Nr. 6235

Dieser besondere Teppich ist ein Unikat. Da kein analoges Stück bekannt ist, ist er zeitlich und örtlich schwer einzuordnen. Der rustikale Charakter spricht für eine dörfliche Werkstatt. Auffallend sind die beiden mächtigen, schleifenförmigen, sich vertikal gegenüber stehenden Wolkenbänder, die ein gestuftes Mittelmedaillon flankieren. Die von den Schleifen umschlossenen Flächen und das Medaillon sind mit Kreuzmotiven gefüllt; auf dem roten Felduntergrund liegen zahlreiche Streumotive. Die gelbgrundige Bordüre enthält einzelne eckige und zoomorph wirkende Figuren, die sich wie eine Wellenranke aneinander reihen. Sie lässt sich mit der Bordüre eines sehr frühen Teppichs aus der Kirchheim-Sammlung12 vergleichen.
Gemeinsamkeiten mit diesem Purrmann-Teppich zeigt ein Teppich aus der Jacoby-Sammlung / 13 / und der berühmte Wolkenband-Teppich aus dem Museum für islamische Kunst in Berlin / 14 /, der in das 16. Jahrhundert datiert wird. Der Purrmann-Wolkenband-Teppich wurde mit der physikalischen Radiokarbonmethode in der eidgenössischen technischen Hochschule Zürich datiert. Das (abgerundete) Ergebnis für den in Frage kommenden Zeitbereich der Herstellung lautet: 1480-1680. Ein genaueres Ergebnis kann die Methode prinzipiell nicht liefern. Der Teppich ist sicher jünger als das Berliner Stück. Eine vorsichtige Datierung aus kunsthistorischer Sicht mit 16./17. Jahrhundert steht im Einklang mit dem gemessenen Ergebnis.
/ 12 / Heinz Kirchheim, Herausg., Orient Stars, Sammlung Kirchheim (1993), Nr. 202
/ 13 / Heinrich Jacoby, Eine Sammlung orientalischer Teppiche (1927), Tafel 20, ging in die Christopher Alexander Collection, publiziert vom Besitzer in: A Foreshadowing of 21st Century of Art, 1993, p. 337
/ 14 / Museum für islamische Kunst Berlin, Inv. Nr. I. 24, 180 cm x 120 cm, Wilhelm von Bode und Ernst Kühnel, Antique Rugs from the Near East (London, 1970), p. 48/49

16

Abb. 13
Doppelnischen-Ushak, Nordwest-Anatolien, 17. Jahrhundert, 151 x 109 cm

14
Teppich mit großen Wolkenbändern. Nordwest-Anatolien, Gebiet von Ushak?, 16./17. Jahrhundert,
200 x 145 cm, Archiv-Nr. 6235

Dieser besondere Teppich ist ein Unikat. Da kein analoges Stück bekannt ist, ist er zeitlich und örtlich schwer einzuordnen. Der rustikale Charakter spricht für eine dörfliche Werkstatt. Auffallend sind die beiden mächtigen, schleifenförmigen, sich vertikal gegenüber stehenden Wolkenbänder, die ein gestuftes Mittelmedaillon flankieren. Die von den Schleifen umschlossenen Flächen und das Medaillon sind mit Kreuzmotiven gefüllt; auf dem roten Felduntergrund liegen zahlreiche Streumotive. Die gelbgrundige Bordüre enthält einzelne eckige und zoomorph wirkende Figuren, die sich wie eine Wellenranke aneinander reihen. Sie lässt sich mit der Bordüre eines sehr frühen Teppichs aus der Kirchheim-Sammlung12 vergleichen.
Gemeinsamkeiten mit diesem Purrmann-Teppich zeigt ein Teppich aus der Jacoby-Sammlung / 13 / und der berühmte Wolkenband-Teppich aus dem Museum für islamische Kunst in Berlin / 14 /, der in das 16. Jahrhundert datiert wird. Der Purrmann-Wolkenband-Teppich wurde mit der physikalischen Radiokarbonmethode in der eidgenössischen technischen Hochschule Zürich datiert. Das (abgerundete) Ergebnis für den in Frage kommenden Zeitbereich der Herstellung lautet: 1480-1680. Ein genaueres Ergebnis kann die Methode prinzipiell nicht liefern. Der Teppich ist sicher jünger als das Berliner Stück. Eine vorsichtige Datierung aus kunsthistorischer Sicht mit 16./17. Jahrhundert steht im Einklang mit dem gemessenen Ergebnis.
/ 12 / Heinz Kirchheim, Herausg., Orient Stars, Sammlung Kirchheim (1993), Nr. 202
/ 13 / Heinrich Jacoby, Eine Sammlung orientalischer Teppiche (1927), Tafel 20, ging in die Christopher Alexander Collection, publiziert vom Besitzer in: A Foreshadowing of 21st Century of Art, 1993, p. 337
/ 14 / Museum für islamische Kunst Berlin, Inv. Nr. I. 24, 180 cm x 120 cm, Wilhelm von Bode und Ernst Kühnel, Antique Rugs from the Near East (London, 1970), p. 48/49

17

Abb. 14
Teppich mit großen Wolkenbändern, Nordwest-Anatolien, Gebiet von Ushak? 16./17. Jahrhundert, 200x145 cm

15
Fragment eines Teppichs mit dem Smyrna-Muster, Westanatolien, um 1800,
130 x 138 cm, Archiv-Nr. 6206

Der Name ‚Smyrna‘ für diese Teppiche bedeutet nicht deren Produktionsstätte, sondern der Umschlagplatz, von dem aus sie nach Europa transportiert wurden. (Smyrna ist das heutige Izmir). Sie wurden im Inneren Westanatoliens in der Zeit um 1800 hergestellt. Die Teppiche haben die osmanischen Hofteppiche des 16. und 17. Jahrhunderts mit ihrem üppigen Blumendekor zum Vorbild. Alle “Smyrna”-Teppiche haben die gleiche Farbpalette, ferner die gleiche Abfolge von großen Palmettblüten gleicher Form. Diese etwas zipfeligen Blüten wechseln sich in Richtung und Farben ab; dazwischen liegen horizontal zwei Arten von Elementen, die von Blättern und Blüten gebildet sind. Auf der Hauptbordüre des Fragments 15 alternieren zwei typisch osmanische Blüten. Der ursprüngliche Teppich war vermutlich rund 2m lang, es fehlt dem Fragment also kein wesentlicher Teil.

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Abb. 15
Fragment eines Teppichs mit dem Smyma-Muster, Westanatolien, um 1800, 130 x 138 cm

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Gebetsteppich aus Ladik, Nord-Zentralanatolien, Beginn 19. Jahrhundert,
165 x 108 cm, Archiv-Nr. 6211


Die Gebetsteppiche dienten als saubere Unterlage beim Gebet (s.unter Nr.13). Die Ladik-Gebetsteppiche sind durch eine Reihe von langstieligen Tulpen ausgezeichnet, die sich über einer Zinnenreihe erhebt. Manchmal stehen diese Blumen oberhalb, manchmal – wie bei diesem Teppich – unterhalb der Gebetsnische. Der Purrmann-Ladik hat ein ungemustert rotes Gebetsfeld mit gestuftem, hakenbesetztem Giebel. In den Zwickeln darüber, auf hellblauem Untergrund, liegen Blätter und stilisierte Blüten. Die Bordüre mit Rosetten, zwischen denen schräggestellte, von Blättern umgebene Tulpen stehen, ist typisch für Ladiks.

(Lfd. Nr. 17-19). Unter der Herrschaft der Mameluken wurden etwa ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in Kairo Teppiche geknüpft, die sich von allen anderen Orientteppiche durch Färbung, Muster und Spinnrichtung der Wolle unterscheiden. Die Hauptfarben sind Kirschrot, Hellblau und Hellgrün; sie haben einen eigenartig changierenden Charakter. Die Muster bestehen aus geometrischen Motiven, wie Sternen und Vielecken, die kaleidoskop-artig aneinander gesetzt sind. Auf der Längsachse sitzt oft ein großer Stern, oder es sind mehrere untereinander. Auch florale Elemente wie Blätter und Bäume sind zu finden. Nach der Eroberung Ägyptens durch die Türken (1517) stellten sich die Manufakturen nach und nach auf die üppigen, floralen Musterungen der osmanischen Teppiche um, wobei Struktur und Farben beibehalten wurden.

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Abb. 16
Gebetsteppich aus Ladik, Nord-Zentralanatolien, Beginn 19. Jahr-hundert, 165 x 108 cm

ÄGYPTISCHE TEPPICHE

(Lfd. Nr. 17-19).
Unter der Herrschaft der Mameluken wurden etwa ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in Kairo Teppiche geknüpft, die sich von allen anderen Orientteppichen durch Färbung, Muster und Spinnrichtung der Wolle unterscheiden. Die Hauptfarben sind Kirschrot, Hellblau und Hellgrün; sie haben einen eigenartig changierenden Charakter. Die Muster bestehen aus geometrischen Motiven, wie Sternen und Vielecken, die kaleidoskop-artig aneinander gesetzt sind. Auf der Längsachse sitzt oft ein großer Stern, oder es sind mehrere untereinander. Auch florale Elemente wie Blätter und Bäume sind zu finden. Nach der Eroberung Ägyptens durch die Türken (1517) stellten sich die Manufakturen nach und nach auf die üppigen, floralen Musterungen der osmanischen Teppiche um, wobei Struktur und Farben beibehalten wurden.

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Bordürenfragment eines Mamelukenteppichs, Kairo, um 1500,

88 x 31 cm, Archiv-Nr. 6188

Das kleine Fragment von der linken oberen Ecke des Teppichs hat die häufigste Bordürenmusterung der Mamelukenteppiche: abwechselnd runde und gestreckte Kartuschen. Das anschließende Bordürenstück von der linken Teppichseite ist im Bardini-Museum in Florenz erhalten / 15 /. Dieses Bardini-Stück enthält den Beginn der unteren Ecke; so ergibt sich zuzüglich der fehlenden schmalen Außenbordüre eine Gesamtteppichlänge von etwas über 2m. Der ursprüngliche Teppich gehörte demnach zu den kleineren Mamelukenteppichen und hatte vermutlich einen Stern im Zentrum.
Die hellblauen runden und die grünen gestreckten Kartuschen und der rote Untergrund sind gemustert mit regenschirm-artig geformten Blättern, die geradezu ein Erkennungszeichen der Mamelukenteppiche sind.
/ 15 / Bardini-Museum, Florenz, Nr. 7888, 29 cm x 106 cm, Alberto Boralevi, Oriental Geometries, Stefano Bardini and the Antique Carpet (Florenz, 1999) Nr. 3

17a

Abb. 17
Bordürenfragment eines Mamelukenteppichs, Kairo, um 1500, 88 x 31 cm

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Eckfragment eines osmanisch-ägyptischen Teppichs, Kairo, Ende 16. Jahrhundert,
98 x 69 cm, Archiv-Nr. 6201


Dieser Teppich ist ein Musterbeispiel für die Teppichproduktion in Kairo im osmanisch-floralen Stil. Das linke untere Teppichviertel ist nahezu vollständig erhalten, so dass man sich den kompletten Teppich gut vorstellen kann. Er hatte etwa ein Format von 2 x 1,5 m, war also relativ klein. Das Feld trägt ein Zentralmedaillon und in jeder Ecke ein Viertel des gleichen Medaillons. Dieses Medaillon ist gemustert mit einem aus Arabesken gebildeten Vierblatt und Blüten. Das rotgrundige Feld ist mit geschwungenen Blättern und Blüten dekoriert. Die ursprünglich braune Grundfarbe der Hauptbordüre hat die Wolle stark zersetzt; das sehr schöne Muster mit spitzen Tulpen und Granatäpfeln ist jedoch gut zu erkennen. Im Rijksmuseum in Amsterdam ist ein kompletter, fast gleicher Teppich verwahrt /16/.
/ 16 / Martin Volkmann, Herausg., Alte Orientteppiche, ausgewählte Stücke deutscher Privatsammlungen , Beitrag Klassische Teppiche und Fragmente von Friedrich Spuhler (München, 1985), S. 18, unter 1b. Der Teppich im Reijksmuseum in Amsterdam hat die inv. Nr. R.B.K. 1959-1, abgebildet in Otto Ydema, Carpets and their Datings in Netherlandish Paintings, (Leiden, 1990), Fig.10.

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Abb. 18
Eckfragment eines osmanisch-ägyptischen Teppichs, Kairo, Ende 16. Jahrhundert, 98 x 69 cm

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Fragment eines osmanisch-ägyptischen Teppichs, Kairo, Ende 16. Jahrhundert,
71 x 174 cm, Archiv-Nr. 6203

Der obere Feldteil ist in voller Breite erhalten; in seinen Ecken sitzen Medaillonviertel mit vielfach gebogter Kontur und reicher Ornamentierung mit radial angeordneten Tulpen und Hyazinthen. Ein entsprechendes Medaillon lag wohl ursprünglich auch im Teppichzentrum. Auf der Mitte des Fragments liegt ein Paar schwungvoll gebogener langer Blätter, darunter zu beiden Seiten Blumenstiele mit vielen Rosetten. Der übrige Raum ist dicht gefüllt mit weiteren Blüten und Blättern. Das Musterelement des erhaltenen Teils muss man sich auf dem kompletten Teppich mehrmals untereinander wiederholt und ab der Querachse gespiegelt denken
.

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Abb. 19
Fragment eines osmanisch-ägyptischen Teppichs, Kairo, Ende 16. Jahrhundert, 71 x 174 cm

NOMADENARBEIT

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Vorderfronten einer kurdischen Doppeltasche, Nordwest-Persien, Ende 19. Jahrhundert,

47 x 72 cm und 52 x 65 cm
(Ohne Abbildung. Archiv-Nr. 6196 und 6197)

Doppeltaschen dienten den Nomaden zum Transport kleinerer Gegenstände. Beide Taschen zusammen waren einst aus einem einzigen langen Stück gefertigt, das aus fünf aufeinander folgenden Teilen besteht. Die beiden äußersten sind gleich oder ähnlich gemusterte Vorderseiten, häufig in Knüpftechnik. Es folgen nach innen die einfach gewebten beiden Rückseiten der Taschen, und in der Mitte dazwischen liegt das Verbindungsstück /17/. Zur Bildung der Taschen werden die Vorderfronten umgeklappt und seitlich mit den Rückseiten vernäht. Auf diese Weise entstehen zwei verbundene Taschen, die nach zwei Seiten gefüllt werden können. Beide Taschen haben am oberen Rand der Vorderfronten einen mit Schlitzen versehenen Steg, die Laschen. Dieser Laschensteg ist bei einer der Vorderseiten von Nr. 20 noch erhalten, die Laschen im Farbwechsel Rot-Blau. Ursprünglich saß an den Rückteilen der Taschen – den Schlitzen gegenüber – je eine Schlaufe. Laschen und Schlaufen dienten dem Verschluss, indem die Schlaufen durch die Schlitze gezogen wurden und jede folgende Schlaufe durch die vorhergehende geschlungen wurde. Der Verbindungssteg ist bei kurdischen Tasvhen aus Persien besonders schmal. Doppeltaschen können über den Rücken von Transport-Tieren oder auch über die Schulter gehängt werden.
Das – im Verhältnis zu den Bordüren – relativ kleine Innenfeld der Taschenfronten Nr. 20 hat das typisch kurdische Rautengittermuster. Jedes Gitterfeld ist mit einer Hakenraute gefüllt. Die dunkelblau-grundige Hauptbordüre trägt große Rosetten. Am unteren Rand sitzt eine Zusatzbordüre mit halbierten Rauten. Typisch für kurdische Produkte ist die Verwendung des versetzten statt des üblichen parallelen Knotens für die Knüpfung. Der große Bordürenanteil an der Gesamtfläche spricht für ein relativ spätes Datum am Ende des 19. Jahrhunderts.


ANMERKUNGEN


21 1 Christine Klose, „Traces of Timurid Carpets in Contemporary and Later Carpets from the Near East", Vorträge zur Konferenz Carpets and Textiles in the Iranian World, 1400-1700, Oxford, im Druck.
 
21 2
The Bodleian Library in Oxford, Amy Briggs, „Timurid Carpets II", Ars Islamica XI-XI (1946), p. 154.
 
21 3 Das zweite Fragment war einst in der Sammlung von Ungar André in Ungarn, Kurt Erdmann, „The Art of Carpet Making, in: A Survey of Persian Art", Rezension in Ars Islamica VIII (1941), p. 149.
 
21 4 Friedrich Spuhler, Die Orientteppiche im Museum für islamische Kunst Berlin(München, 1987), Nr. 76, S. 218, Inv Nr. I. 62/65.
 
21 5 Das Fragment von Abb. 4a ist publiziert in: Jean Lefevre. The Persian Carpet (London. 1977) o 33, das andere Fragment ist in New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. L 1978. 9. 2., unpubliziert.
 
21 6
Weitere „Vasen"-Teppich-Fragmente mit Arabeskmuster: Wien, Museum für angewandte Kunst, Inv. Nr. T 7346/ 1912, Angela Völker, Die orientalischen Knüpfteppiche im Museum für angewandte Kunst in Wien, (2001), Nr. 94; ehemals Bernheimer Sammlung, Christie's London, 14. 02,1996, Nr. 150; New York, Metropolitan Museum of Art, ehemals McMullan Collection, Joseph McMullan, Islamic Carpets (New York, 1965), Nr. 20 und 21.
 
21 7 Sie sind verstreut in Museen in Berlin, Düsseldorf, Lyon, Budapest, Philadelphia, St Louis und Baltimore. Ein Fragment war einst in der Baranovicz-Sammlung und kam von dort zu Peter Bausback, und zwei Stücke waren 1976 und 1987 im Londoner Kunsthandel.
 
21 8 Bardini-Museum, Florenz, Nr. 7859, 90 x 38 cm, Alberto Boralevi, (Herausgeber), Oriental Geometries, Stefano Bardini and the Antique Carpet (Florenz, 1999), Nr. 37.
 
21 9 Der Lotto-Teppich in London, Victoria and Albert Museum, Inv. Nr. T. 348-1920 hat diese Bordüre, publiziert in: Jennifer Wearden, Oriental Carpets, Highlights from the V&A Collection (London, 2003), Pl. 115.
 
21 10 Medaillon-Ushak mit der Bogen-Bordüre (außer Abb. 12 a): ehemals Sammlung Paul Cassirer, Berlin. Kurt Erdmann, Europa und der Orientteppich (Berlin und Mainz, 1962), Abb. 48; Der frühe türkische Teppich, Abb.34.
 
21 11 Philadelphia, Museum of Art, Inv. Nr. 43-40-59,150 x 115 cm, Charles Grant Ellis, Oriental Carpets, Philadelphia Museum of Art (1988), Nr. 27. Weitere Exemplare mit Wolkenbandzwickeln: Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. 22. 100. 113; Istanbul, Museum für türkische und islamische Kunst, Inv. Nr. 313, ein Stück in einer U. S. Amerikanischen Privatsammlung und Christie's London, 12.10. 2000, Nr. 199.
 
21 12  Heinz Kirchheim, Herausg., Orient Stars, Sammlung Kirchheim (1993), Nr. 202.
 
21 13 Heinrich Jacoby, Eine Sammlung orientalischer Teppiche (1927), Tafel 20. Dieser Teppich ging in die Christopher Alexander Collection, publiziert vom Besitzer in: A Foreshadowing of 21st Century of Art, 1993, p. 337
 
21 14 Museum für islamische Kunst Berlin, Inv. Nr. I. 24,180 cm x 120 cm, Wilhelm von Bode und Ernst Kühnel, Antique Rugs from the Near East (London, 1970), p. 48/49.
 
21 15 Bardini-Museum, Florenz, Nr. 7888 29 cm x 106 cm, Alberto Boralevi, Oriental Geometries, Stefano Bardini and the Antique Carpet (Florenz, 1999) Nr. 3.
 
21 16 Martin Volkmann (Herausgeber), Alte Orientteppiche ausgewählte Stücke deutscher Privatsammlungen, Beitrag "Klassische Teppiche und Fragmente" von Friedrich Spuhler, (München, 1985), S. 18, unter 1 b.
Teppich im Rijksmuseum Amsterdam, Inv. Nr. R. B. K. 1959-1, Onno Ydema, Carpets and their Datings in Netherlandish Paintings, (Leiden, 1990), Fig. 10.
 
21 17 Der Verbindungsteil ist bei den Doppeltaschen aus einigen Herstellungsgebieten recht schmal, so auch bei den persischen Kurden.

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