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Naturwissenschaft, Kunst- und Kulturgeschichte

Ein bisher photographisch nicht erfasstes Gemälde von Arnold Böcklin
 aus dem Vorkriegsbesitz der Nationalgalerie Berlin
Wolfgang Klose

Böcklin

Das Verzeichnis der Werke von Arnold Böcklin enthält zwei als verschollen bezeichnete Porträts aus dem Jahre 1893. Unter der Nummer 435 wird das »Bildnis Marie Meyer« aufgeführt und unter der Nummer 436 ein weiteres »Bildnis Marie Meyer mit Ernst Grosse«. Von beiden gab es bisher keine photographische Dokumentation. Vom Einzelbildnis gibt es im Böcklin-Archiv in Basel nur zwei Skizzen Böcklins.

Durch einen glücklichen Zufall fiel mir ein Originalphoto mit dem Doppelporträt in die Hände. Es stammt aus dem Dienstzimmer des Direktors des Berliner Museums für Ostasiatische Kunst, Otto Kümmel und ist daher einwandfrei zuzuordnen.

Auf diesem Doppelporträt hat Frau Meyer die gleiche Sitzhaltung wie auf den Böcklinschen Skizzen. Möglicherweise wurde das Einzelporträt nie ausgeführt, sondern während der Arbeiten zum Doppelporträt erweitert.

Marie Louisa Mathilde Meyer, geborene Toberentz (Berlin 1834 - 1915 München), war die Schwester des Berliner Bildhauers Robert Toberentz, von dem u.a. das Reiterstandbild Friedrich Barbarossas vor dem Kaiserhaus in Goslar stammt. Ihr Ehemann war der Hamburger Großindustrielle Heinrich Adolph Meyer (Hamburg 1822 - 1889 Forsteck bei Kiel), dessen zweite Karriere als Meeresbiologe durch einen Ehrendoktor der Kieler Universität und die Mitgliedschaft in der Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle gewürdigt wurde.

Marie Meyer zog 1889 nach dem Tod ihres Mannes nach Freiburg, wo sie eine umfangreiche mäzenatische Tätigkeit zur Förderung junger Künstler und Wissenschaftler entfaltete. Sie ließ sich auch von Arnold Böcklin porträtieren. Andree berichtet in seinem Verzeichnis der Werke Böcklins, dass das Doppelportrait »Bildnis Marie Meyer mit Ernst Grosse« 1898 in den Besitz Grosses überging. Grosse schenkte es im Jahre 1916 'Zum Andenken an Marie Meyer' der Berliner Nationalgalerie (Inv. Nr. A II 583). Bei Kriegsende 1945 befand es sich im Flak-Bunker am Berliner Zoo, ist dort mit vielen anderen Kunstgegenständen von sowjetischen Truppen konfisziert worden und seitdem verschollen.

 

Biographische Daten zu Marie Meyer, geb. Toberentz

1834
Marie (Maria) Louise Mathilde Toberentz geboren. Eltern: Christoph Friedrich Gustav Toberentz und Caroline Mathilde, geb. Avianus

1849
Geburt des Bruders Robert am 4. Dezember. Er besuchte 1867-69 die Berliner Kunstakademie, war dann unter Schilling in Dresden, ging 1872 -75 nach Rom. Monumentale Bildwerke. 1884-1890 in USA. Über Paris Rückkehr nach Berlin. Starb am 31.7.1895 in Rostock. Sehr bedeutender Erzgießer seiner Zeit.

1854
Heirat mit Heinrich Adolf Meyer (Hamburg 1822 -Forsteck bei Kiel 1889), Hamburger Großindustrieller, Sohn von 'Stockmeyer' Heinrich Christian Meyer, bedeutender Industrieller in Hamburg. Heinrich Adolf Meyer baute einen Elfenbein-Import auf. Ehrendoktor der Universität Kiel für Meeresbiologie. Mitglied der Leopoldina. Nachruf von A. Hänel. Eine Schwester heiratete 1852 Carl Schurz, eine weitere den Schubert- und Brahmssänger Julius Stockhausen (1826-1906).

1889
Umzug als Witwe nach Freiburg, Mozartstraße 5. Feriensitz: Titisee, Villa Waldheim

1892
Ernst Grosse zieht in das Haus von Marie Meyer. Beginn der gemeinsamen Kunstsammeltätigkeit. Sie wird seine Adoptivmutter. Nur das Badische Recht verhindert den juristischen Vollzug der Adoption.

1898
Förmliche Schenkung von Kunstgegenständen im Wert von insgesamt 108 450 Mark an Grosse, davon pauschal ostasiatische Objekte wie Malerei, Drucke, Metall- und Lackarbeiten, Keramik für 30 000 Mark.

1912
 Umzug nach München

1913
Testamentarische Überlassung der Kunstwerke ihrer Sammlung an die Berliner Museen

1915
Tod von Marie Meyer in München.
 

Weitere Informationen zur Vita Marie Meyers auf der oben angegebenen Webseite Ostasien in Berlin

 

Biographische Daten zu Ernst Grosse

1862 geboren am 29.7.
1887 Promotion an der Universität Halle
1888 Habilitation an der Universität Freiburg
1889 Privatdozent an der Universität Freiburg (20.2.) für Völkerkunde. Erste Vorlesung: Die Kunst der Naturvölker
1889 Kurator der städtischen Freiburger Kunstsammlungen
1892 Gemeinsamer Haushalt Grosse/Meyer
1894 Buch: Anfänge der Kunst
1895 Außerplanmässiger Professor an der Universität Freiburg (16.11.)
1896 Buch: Die Formen der Familie und die Formen der Wirtschaft
1902 Ehrendirektor der Freiburger städtischen Kunstsammlungen.Publikation der Vorlesungen
1907 Ab Januar in Japan
1908 Rückkehr aus Japan. Ab November wieder in Japan als Kunstsachverständiger für die deutschen Botschaften in Tôkyô und   Peking
1913 Grosse heiratet in Japan eine Japanerin. Rückkehr nach Freiburg
1914 Wiederaufnahme der Vorlesungstätigkeit
1916 Grosse überlässt frühere Schenkungen von Marie Meyer zu ihrem Andenken den Berliner Museen
1921 o. Honorarprofessor an der Universität Freiburg (4.5.)
1923 Buch: Ostasiatische Tuschmalerei
1926 Planmäßiger Außerordentlicher Professor an der Universität Freiburg (1.10.)
1927 Tod Grosses (26.1.)

 

Weitere Informationen zur Vita Ernst Grosses auf der oben angegebenen Webseite Ostasien in Berlin

Literatur

Charitas Bischoff: Amalie Dietrich, ein Leben. Erstmals 1913. In der Ausgabe im Calwer Verlag Stuttgart 1980 finden sich Hinweise auf das Ehepaar Meyer auf den Seiten 158ff. und 319 ff.

Album poétique dédié à la première jeunesse. Marie Meyer ed. Illustrée par Louise Thalheim. Berlin, Sauvage 1878.- VII, 142 p.

Rolf Andree: Oevrekatalog Arnold Böcklin, Basel 1977, S. 502-503 (2. Aufl 1998);

Otto Kümmel: Ernst Große (Nachruf). Ostasiatische Zeitschrift NF IV,3, 93-107, 1927

Böcklin Memoiren, hrsg. von F. Runkel, Berlin 1910, S. 310

Wolfgang Klose: Das verschollene Doppelporträt. Ein bisher nicht erfasstes Gemälde von Arnold Böcklin. In:- MuseumsJournal. Berichte aus den Museen, Schlössern und Sammlungen in Berlin und Potsdam. 14. Jahrgang, Nr. IV, Oktober 2000, S. 10-11

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